Ulysses Irrweg führt indirekt ins theatrale Nirvana

Der New Yorker Theatermann John Collins versucht am Theater Basel das Unmögliche, James Joyce Urmonstrum der literarischen Moderne mit dem Titel „Ulysses“ zu dramatitisieren und gelangt mit einem hervorragenden Ensemble zum Resultat, dass dies eben unmöglich ist.

Es lohnt sich, die 120 Minuten durchzuhalten, sich durchzukämpfen, um den Schluss nicht zu verpassen. Dann, wenn Carina Braunschmidt als Molly Bloom im Kapitel 18 in einem berührenden Monolog ihr Leben, ihr Scheitern, ihr Reussieren ihr Weiss-ich-was aufleben lässt. Dieser Monolog ist viel zu kurz, wie andere Szenerien zuvor es natürlich auch waren, angesichts der Tatsache, dass hier ein 1000-Seiten-Roman auf etwa 50 Seiten Text eingedampft wird – Originaltext notabene. (Allein den Molly-Dialog liess James Joyce auf gut 50 Seiten Kaum ohne Punkt und ganz ohne Komma ausufern.)

Aber dieser Schluss kommt einem viel zu kurz vor, was zuvor nicht immer der Fall war. Das liegt nicht am am Ensemble mit Andrea Bettini als Ulysses/Leopold Bloom, Fabian Dämmich als (hauptsächlich) Stephen Dedalus, Nairi Hadodo als vielerlei Erscheinungen und Fabian Krüber als Joyce und mehr – die sind hervorragend spielerisch konzentriert auf den Abend eingestellt. Das liegt daran, dass nach vielen vielen Minuten mit Sprüngen, harten Brüchen und dem Original geschuldeten (und zum Teil ja auch originell übernommenen) stilistischen Volten endlich konzentrierte Ruhe einkehrt.

Collins wählt in seiner Umsetzung einen eigentlich originellen Weg, in dieses Monsterwerk einzusteigen und es zu bewältigen zu versuchen. Dieser Weg könnte gleichzeitig aber auch als Verzweiflungstat gedeutet werden. Nun gut. Die Bühne gibt – so wird im Programmheft kolportiert, die Probebühne von Collins New Yorker Theater wider. In dieses sind Bibliotheks-Kabäuschen eingebaut, in denen wir die Schauspielerinnen und Schauspieler sehen, wie sie sich angestrengt in das Werl einzulesen versuchen. So wie sooooo viele Leserinnen und Leser sonst, die es versucht hatten, und bei Seite 73 (wie ich) oder meinetwegen 253 oder 720 von 1000 gescheitert waren.

Collins versucht nun gar nicht, dem Publikum das strube Geschichten-, Gedanken- und Stilgeflecht auch nur auf eine klitzekleine Art in eine verständliche Form zu bringen. Er belässt es vielmehr beim babylonischen Irrwitz, indem er aus den 18 Kapiteln jeweils kurze Ausschnitte auf die Bühne rotzen lässt und dazwischen die inhaltliche Fast-Foreward-Taste drückt, um 950 Romanseiten zu überspringen.

Das bedeutet, dass auf intellektuelle literarische Diskurse, halluzinogene Irrwitzigkleiten folgen (so wie das im Roman nun halt mal so ist). Nur halt brutal verkürzt, was auf der Bühne überraschend aufrütteln kann, in der Unmittelbarkeit aber auch einmal länglich daherkommen mag.

Ist das letzlich erhellend? Nein, soll es wohl auch nicht sein. „Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit“, schrieb Joyce einst über sein Buch. Und so wird es auch im Theater Basel wiedergegeben, ganz zu Beginn des Abends.

Unsterblichkeit wird dem Theaterabend nicht widerfahren, der den Zuschauerinnen und Zuschaiuern doch sehr viel an Konzentration abverlangt, ohne dass man am Schluss irgendwie begreift, um was es geht. Warum Leopold Bloom ein moderner Westentaschen-Odysseus sein soll. Warum der Roman, der von einer ganz kleinen Elite zum Jahrhundertwerk ausgerufen wurde, ein solcher sein soll? Ich weiss es auch nach diesem Theaterabend nicht.

John Collins scheitert an der Umsetzung dieses Stoffes. Absolut erwartbar. Natürlich soll sich Theater an Unmögliches heranwagen. „Ulysse“ war schliesslich aber vielleicht etwas gar zu unmöglich.

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