Das Theater Basel lädt auf der Grossen Bühne zur intimen, szenisch umrahmten Schubertschen „Winterreise“. Ein herausragendes Star-Tio rund um Anne Sofie von Otter durchsetzt die grosse schwermütige Wanderschaft mit lichten Momenten.

Wer in die diesen schweren Zeiten der Pandemie, im Home Office abgeschottet und ausgeschlossen von den grossen Festivitäten unter Freunden und Freundinnen, die Fähigkeit zu spontanen Trauerausbrüchen verloren hat, dem kann Schuberts „Winterreise“ vielleicht helfen. Da ist alle Liebe dem grossen Kummer gewichen, der Mensch versinkt in Einsamkeit sowie Todessehnsucht und die Tränen fliessen in Strömen bis sie in der kalten Winternach zu gefrieren drohen.
Das Theater Basel hat nun aber keinelei Assozation zum Lebensdämpfer Coronavirus im Sinn. Vielmehr hat hat man das Gefühl, dass da ein Künstlerinnen- und Künstler-Trio von sich aus mit einem grossen Wunschprojekt an das Haus getreten ist. Wenn es so wäre, dann hätte das Theater diesen Wunsch sicher niemals abschlagen können, handelt es sich doch um eine höchstkarätige Besetzung: mit der schwedischen Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter, dem australischen Pianisten Kristian Bezuidenhout und dem deutschen Regisseur Christoph Loy – Persönlichkeiten, die in allen wichtigen Konzertsälen und auf den grossen Opernbühnen der Welt zuhause sind. Aber offenbar war es das Theater, das an die Künsrlerinnen und Künstler herangetreten war.
Dieses Trio betont nun, nicht den originalen 24-teilige „Winterreise“-Zyklus aufzuführen, sondern „Eine Winterreise“. Es bleibt bei Schubert, der in seinem kurzen Leben so unglaublich viel komponiert hat. Aber der berühmte Zyklus mit dem „Lindenbaum“, „Auf dem Flusse“ oder der „Einsamkeit“ zu den schwermütigen Texten von Wilhelm Müller wird durchbrochen mit Kompositionen zu nicht minder schwemütigen Texten von Heinrich Heine oder Friedrich Klopstock, aber auch instrumentalen-Galopp-Stückchen der fröhlich-tänzerischen Art oder süsslichen Sonaten für Klavier und Violine.
Bei der Erwähnung der Violine wird klar, dass die Sängerin und ihr Begleiter auf dem Hammerflüge, dem Originalinstrument aus der Schubert-Zeit, nicht alleine bleiben. Da ist zum einen eben der zweimal wie aus dem Nichts auftauchende (und auch wieder dorthin verschwindende) Geiger (Claudio Rado). Und da ist ein Quartett mit den mit wenigen Ausnahmen stummen Tänzerinnen und Schauspielern Nicolas Franciscus, Kristian Alm, Giulia Tornarolli und Matilda Gustafsson).
Geister der Erinnerung
Was haben diese Vier in der Winterreise des einsamen Wanderers (hier eine Wandererin) zu suchen? Sie sind im Programmheft mit Namen oder Bezeichnungen versehen, die in den vorgetragenen Liedern vorkommen. Es sind die versterbenden oder entschwindenden Geliebten, gewissemassen Geister aus der Erinnerung, die hier in den Seelenraum der Sängerin treten, die im Programmheft als weibliche Personifizierung des Komponisten in einem Alter, das er nicht mehr erleben konnte, vorgestellt wird.
Dieser Seelenraum wird als leicht lädierter holzgetäferter Ballraum aus den Lebzeiten Schuberts (Bühne: Herbert Murauer) präsentiert. Er verströmt einen einnehmenden nostalgischen Charme und gibt auf der Grossen Bühne einen hervorragenden Klangraum ab.
In diesen Raum treten nun die Sängerin und ihr Pianist, um musikalisch in diese Erinnerungswelten einzutauchen, ja quasi in diese zu versinken. Von Otter und Bezuidenhout können sich dabei voll auf die Musik konzentrieren und auf die Melancholie der Erinnerung, welche die Schmerzen von einst zart umhüllt hat. Und das tun sie auf berauschende Weise. Die aufbauschenden Emotionen wiederum werden stellvertretend den vier Geistern der Erinnerung übernommen. Da wird dann von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt die ganze Palette der Gefühlswelten abgespult.