Mit „Ode an die gewaltbereite Jugend“ will das Theater Basel an das erfolgreiche Live-Video-Spektakel „Dämonen“ von 2022 anknüpfen. Was damals als packendes szenisches Psychogramm der Jugend erlebt werden konnte, versandet jetzt in einem Verlautbarungs-Reigen.

Der Abend hat dort seine Stärken, wenn es gewollt, aber vor allem dann, wenn es nicht gewollt ist, zu Interaktionen kommt. Etwa wenn kleine kläffende Hunde die Clown-Truppe am Spalenberg vertreibt. Oder wenn am Grossbasler Kopf der Dreirosenbrücke drei Kinder vom schlechten Beispiel eines der Clowns angestachelt ebenfalls eine steile Rampe vom Uferweg rauf zur Brücke hochzukraxeln.
Seine Schwächen offenbart das Projekt, wenn sich die sechs Protagonistinnen und Protagonisten auf ihrer individuellen Reise durch die Stadt Basel ihren persönlichen Frust über die Stadt rauslassen, über ihr Schicksal, über die verlorene Jugendzeit jammern. Was bei einem Grossteil der zwei Stunden Spielzeit der Fall ist.
Das Publikum verfolgt das von Sebastian Nübling inszenierte Geschehen wie bei „Dämonen“ erneut von Ferne. Das Schauspielhaus präsentiert sich als Plüschkino der 1980er-Jahre mit rotem Samtvorhang und Bordüren sowie mit einem ebenfalls roten Teppich unter den Sesseln. Es sei erlaubt, während der Vorstellung raus an die Bar zu gehen und Getränke mit in den Saal zu bringen, heisst es. Kaum jemand macht es. Der Grossteil der Zuschauerinnen und Zuschauer bleibt sitzen und wartet ab, was passiert, ob etwas passiert.
Sechs Selfie-Streams
Anders als bei „Dämonen“ ist es nun keine zentrale Kamera mehr, welche die jungen Menschen durch die nächtliche Stadt begleitet. In einem Sechskanal Live-Feed ist zu sehen, wie sich die sechs Darstellerinnen und Darsteller mit Handy-Kameras selber in Szene setzen – manchmal wie zu einem Video-Ballett synchronisiert, meistens aber beschränkt sich die Generation Selfie auf das Ich.
Es beginnt mit einem forciert ironisierten Lobgesang auf die unwirtliche und durchorganisierte Stadt: auf die unwirtlichen Rasenflächen auf die glatten Strassen, auf die Verkehrsampeln. Das ist ganz witzig, löst sich aber dann auf, wenn die sechs im Clownoutfit herumhetzenden Menschen ihre eigenen Wege gehen und in einer Eskalations-Spirale über das eigene Schicksal zu hadern beginnen.
Da ist der junge Mann (Lukas Stäuble), der sich wütend über das Verschwinden aller autonomen Freiräume beklagt und auf dem Hafenareal die Pseudo-Alternative der dortigen Zwischennutzungsprojekte anprangert. Da ist die junge Frau (Antoinette Ullrich), die sich als „Aufgeberin“ in den Nihilismus flüchtet. Da ist die nicht mehr ganz so junge Frau (Marie Löcker), die sich von ihrem Anlehnungsbedürfnis getrieben vergeblich auf die Suche nach Liebe und Geborgenheit macht. Da sind die jungen Frauen (Juli Ilunga und Ann Mayer), die sich über Fremdenhass und sexuelle Missbrauchsfallen auslassen. Und da ist ein weiterer jungen Mann (Julian Anatol Schneider), der sich in Parkour-Manier gegen die vorgegebenen Wegführungen der Stadt auflehnt.
Wie ist das mit der Gewalt?
„Ode an die gewaltbereite Jugend“ nennt sich das Projekt. Was der provokative Titel verspricht, kann der Abend nicht einlösen. Das Ganze versandet und verstrickt sich in einem Verlautbarungs-Reigen, der die anwachsende Wut der Herumirrenden in Selbstaufgabe enden lässt. Wenn die sechs Protagonistinnen une Protagonisten gegen Schluss des Abends mit Steinen in der Hand vor das Rathaus treten (und diese nicht werfen), ist das ebenso ein unausgegorenes Statement wie es all die Monologe zuvor waren.
Gegen Schluss sammelt Papa Theater die Sechs mit einem Kleintransporter ein bringt sie zurück in die Nähe des geschützten Raum des Schauspielhauses. Dort empfängt das Ensemble, das zwei Stunden lang beherzt aufgespielt hat, sichtlich erschöpft vom kräftezehrenden Parcours durch die Stadt, den verdient kräftigen Applaus des Publikums.
