Mit „Los Años“ erlebte das Theaterfestival Basel im Schauspielhaus des Theater Basel einen ungemein vielschichtigen Auftakt

Das Stück ist Zeitmaschine, ein Psychogramm eines (anders verlaufenden) Lebens, eine Beziehuungs-Tragikomödie zwischen Vater und Tochter und eine satirisch angehauchte philosophische Abhandlung über Eigennutz und Empathie im zivilisierten urbanen Raum. „Los Años“ des argentinischen Autoren und Regisseurs Mariano Pensotti ist kein Stück zum Zurücklehnen. Es fordert die Zuschauerinnen und Zuschauer heraus und belohnt sie dafür.
Der Plot? Da fängt es bereits an, schwierig zu werden, denn es gibt viele Plots an diesem knapp zweistündigen Abend. Pensotti erzählt die Geschichte einer 30-jährigen Frau, die im Jahr 2050 ihren Vater, der lange abwesend war, wieder trifft. Parallel dazu ist in unserer Gegenwart der 30 Jahre jüngere Vater zu erleben, ein Architekt, der einen Dokumentarfilm über Replikabauten von europäischen Vorbildern in Buenos Aires drehen will.
Bei diesen Dreharbeiten geschieht nun etwas (oder ist je nach zeitlicher Sichtweise etwas geschehen), das das Leben des Vaters – er heisst Manuel – auf den Kopf stellt. In einem der gefilmten Bauten begegnet er einem Jungen mit Namen Raul, der ein autonomes Leben ohne Eltern führt. Manuel fühlt sich angezogen, wird geradezu besessen von diesem Schicksal, auf das er sich sodann in seinem Dokumentarfilm konzentriert. 30 Jahre später sucht er nach dem Buben, um dann zu erfahren, dass dieser sich möglicherweise das Leben genommen hat.
Herausragendes Ensemble
Mit höchster Präzision fügen Pensotti und das herausragende Ensemble das Geschehen in einem 3D-Splitscreen zusammen. Ausstatterin Mariana Tirantte hat einen Bühnenbau geschaffen, der fliessende Zeitsprünge ebenso erlaubt wie Einspielungen aus den Dokumentarfilmen. Feinfühlig begleitet wird das Geschehen von einer Pianistin.
In diesem durchlässigen Doppelraum nimmt nun das vielschichte Spiel seinen Verlauf. Immer wiueder bekommt man als Zuzsehender das Gefühl, sich mitten in einem Rubik-Würfel zu befinden, in dem man ständig von einer Ebene in die andere gedreht wird und kaum Chancen zur wirklichen Orientierung hat.
Das mag nun in dieser Beschreibung alles ziemlich verkopft klingen. Ist es aber keineswegs. Der wunderbaren Theatertruppe gelingt es, die verwobene Geschichten oder verwobenen Geschichten im Plural leichtfüssig und auf berührende Art zusammenzufügen.
Und nicht zuletzt wartet der Theaterabend mit einem wunderbar hintersinnigen Humor auf. Etwa wenn die Tochter ihrem Vater in der Zukunftsvision unterbreitet, dass sie sich als Umweltaktivistin zu einem Vergiftungs-Trip aufmachen müsse. Viele Jahre radikale Ökopolitik hätten dazu geführt, dass die Wälder dran seien, die Menschen in den Städten zu verdrängen.