Kapitalismus-Kinderstunde im Barock-Dekor

Theater-Haudegen Bonn Park führt das Publikum im Basler Schauspielhaus mit «Phönix aus der Währung» in den Panic Room der Grossfinanz und lässt es am Ende ziemlich ratlos zurück.

Zuerst ein grosses Lob. Dieses gilt der Bühnenbildnerin Julia Nussbaumer, der Kostümbildnerin Sina Manthey und den Werkstätten des Theater Basel: Sie haben eine wundervolle, barocke Prachtwelt auf die Bühne des Schauspielhauses gezaubert, als ginge es darum, Molière in seiner Zeit als Hofdramatiker von Ludwig IV. aufleben zu lassen.

Es ist eine gekünstelte Aura des ganz grossen Reichtums. Oder aber die Einrichtung eines Edelpuffs für «Pussy liebende kaukasischen Männer», wie wir Zuschauerinnen und Zuschauer im Prolog angesprochen werden.

Beherzt aufspielende Musikerinnen und Musiker

Dann ein weiteres Lob an das Barock-Ensemble auf der Bühne, mit sechs beherzt aufspielenden jungen Musikerinnen und Musikern. Bonn Parks musikalischer Theater-Kumpel Ben Roessler hat für sie (und das Schauspielensemble) eine Barockoper mit Anlehnung an den Stil des Hofkomponisten Jean-Babtiste Lully komponiert.

Es wird rasch klar, worum es dem Gespann Park/Roessler geht: Barock war der Rahmen, die gesamtkunstwerkliche Kulisse des Feudalismus des 17. Jahrhunderts. Wir also der (Geld-)Adel hier oben, ihr, das Volk ganz unten. Das hier oben, darauf weisen die Symbole Stier und Bär hin, scheint eine Art Börse zu sein, wo sich die abgeschotteten Insassen in der Rezitativ-Manier der Barockoper und einem deutsch-französischen Kauderwelsch Sorgen darüber machen, ob die Geldvermehrung durch das Geldhaben und Investieren ewig weiter funktionieren wird oder ob das Ganze einmal mehr in eine «Bubblé» mündet und platzt.

Das ist, wenn man einmal davon absieht, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler bei Barockopern-Arien und -Rezitativen arg an ihre gesanglichen Grenzen gelangen, erst einmal ganz witzig. Vielleicht etwas lange besingen die Figuren, die Namen tragen wie M. Continental, M. Le Vice oder M. Vécteur, ihren grenzenlosen Reichtum: «Ich hab‘ ein Haus in Monte Carlo, ich hab den Belt von Ferragamo …»

Gerne hätte man mehr davon erlebt

Die Hoffnung wächst, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler bald einmal ins Schauspiel wechseln und den Gesang dem Profi unter ihnen überlassen: dem Elektro-Schnulzen-Star Dagobert, der im Stück als Eindringling irgendwie so etwas wie die Moderation des Ganzen übernimmt.

Für Dagobert-Fans enttäuschend dürfte aber sein, dass er gerade mal ein Lied zum Besten gibt: eine schöne Variation von «Nine Million Bicycles» von Katie Melua, bei der er sich auf dem Cembalo selber begleitet. Gerne hätte man mehr davon erlebt.

Es kommt zum Wechsel. Wir erfahren, dass wir uns einer Art Panic Room der Geldwirtschaft gegenübersehen, während draussen wegen Klima und so alles in Schutt und Asche fällt. Sichtbar wird das auf den weissen Sonnenschirmchen der Leute, die von draussen hereinkommen: Sie sind von Russ bedeckt. Und durch Aschepartikel, die mit der Zeit durch die Ritzen in den Raum dringen.

Kapitalismus-Vorlesung für Dummies

Was tun nun aber die Reichen in ihrem Palais? Sie verfallen in eine geschwätzige Panik über den drohenden Absturz ins Elend. Und sie lassen sich von M. Débutant, einem elfjährigen Jungen mit verlorener Kindheit (Fabian Dämmich), das Unwesen der Geldwirtschaft erklären. «Geld ist keine Natur, es ist eine Erfindung», erklärt das Kind und blickt zurück auf die Zeit, als mit Ziege und Ei noch Tauschhandel die Wirtschaftswelt beherrschte. Und dass es doch besser wäre, wenn der «Phönix aus der Währung» für eine bessere Verteilung des Geldes sorgen würde.

Das Ganze ufert in eine Kapitalismus-Vorlesung für Dummies aus, im didaktischen Duktus einer Sendung für die Maus in der barocken Puppenstube.

Was hat es nun aber mit dem titelgebenden «Phönix aus der Währung» auf sich? Dieser schwebt am märchenhaft verschwurbelten Schluss des knapp anderthalbstündigen Abends nach einem seltsamen Federntanz der bedrohten Superreichen vom Bühnenhimmel herunter. Dort liefert sich der Phönix einen an alte Godzilla-Filme erinnernden Kampf mit dem Aschemonster, der schliesslich in einer innigen Umarmung endet.

Was nun will uns Autor und Regisseur Bonn Park mit diesem «Finanzthriller mit Gesang und Musik», so der Untertitel, sagen? Die naive Quintessenz, dass die Macht des Geldes die Welt nicht zum Guten wendet, kann ja nicht alles sein. Oder etwa doch? So richtig scheint er es selber nicht zu wissen. „Hat es jemand kapiert, das mit dem Phönix“ fragt jemand auf der Bühne. Die Antwort folgt auf dem Fuss: „Ne.“

Der Text erschien am 19. September in der „bz Basel“.

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