Die unverwüstlichen Reines Prochaines haben es von den Off-Sphären auf die grosse Opernbühne geschafft. Mit „Alte Tiere hochgestapelt“ präsentieren sie auf der Grossen Bühne des Theater Basel eine Revue-Hommage an das Alter – leider gegenwärtig coronabedingt fast ohne Publikum.
Das Königinnen-Kerntrio mit Muda Mathis, Sus Zwick und Fränzi Madörin gibt zusammen mit Marcel Schwald den Text weiter. (Foto: Theater Basel)
Angesagt ist eigentlich eine Adaption des berühmten Märchens der Bremer Stadtmusikanten. Darauf deutet auch der Titel „Alte Tiere Hochgestapelt“ hin, wie die Reines Prochaines „& Friends“ ihre Revue benennen. Aber wer die Truppe an schrägen Paradiesvögeln kennt, rechnet ganz sicher nicht mit einer stringent erzählten Geschichte. Das wird auch visuell sehr schnell klar: Ein Stapel von grossen bis sehr kleinen Tischen bricht gleich zu Beginn in sich zusammen. Die Trümmer des symbolishen Bilds werden weggeräumt – und damit hat es sich.
Zumindest fast. Natürlich werden immer wieder Sprengsel des Märchens eingestreut – auf wunderbar-wundersam thrash-ästhetische Weise. Einer der Höherpunkte ist ein Freestyle-Monolog von Fränzi Madörin, die sich als Personifizierung des Märchens mit ihren Kleid und Bauch zu erkennen gibt. Oder die aus Alltagsobjekten flix zusammengeschusterten Tiere, die irgend einmal zusammengestellt und über die Bühne geschoben werden.
Unter dem Strich ist es aber vielmehr eine Hommage auf das Altern und das Alter, auf Existenzen henseits der Norm, welche die übrigens altersmässig sehr durchmischte 13-köpfige Truppe mit Verstärkung durch den schutzmaskierten Damenchor des Theaters präsentiert.
In erster Linie aber ist es ein musikalisch-bildnerisch durchwirktes Panoptikum von überschäumender Fantasie. Les Reines Prochaines sind in erster Linie eine Band von bildenden (Video-)Künstlerinnen und das bleiben sie auch bei ihrer „Oper“, wie der Abend bezeichnet wird.
Menuett der Putzmaschinen und so
Hier Einzelheiten beschreiben zu wollen, wäre eine Überforderung (oder würde ein halbes Buch füllen). Man muss/sollte es gesehen oder gehört haben. Oder man kennt die Ästhetik bereits – und wird nicht enttäuscht. Einmal mehr spielt übrigens die Affinität zum Putzfrauendienst eine wichtige Rolle – wie bereits bei ihrer Jubiläumsrevue „Let’s Sing, Arbeiterin“, mit denen die Königinnen 2019 ihr 30-Jahr-Jubiläum gefeiert hatten (und mit dem Schweizer Musikpreis gewürdigt wurden). Aktuell ist es ein herrliches Menuett der Putzmaschinen.
Im Zentrum stehen einmal mehr die Songs mit hintersinnigen Texten und zu Big Band-Punk-Rhythmen. Am besten kommen die Königinnen zur Geltung, wenn sie sich auf dem trashigen Konzertpodest versammeln. Auf der Grossen Bühne des Theater Basel wirkt die Truppe allerdings ab und zu etwas verloren. Der Kampf des auf berauschende Art zelebrierten kunstvollen Dilettantismus gegen die hochkulturelle Bühnenmaschinerie geht manchmal unentschieden aus.
Aber jetzt bin ich ungerecht. Les Reines Prochaines & Friends mussten vor 15 (in Worten fünfzehn!) Zuschauerinnen und Zuschauern Premiere feiern – in einem Saal mit knapp 900 Plätzen. 1500 Leute hätten sich in der Verlosung gerne eine Karte gesichert, sagte Theaterdirektor Benedikt von Peter vor Vorstellungsbeginn. Eine Konzert-Performance, eine überschäumende Revue dieser Art braucht einen vollen oder zumindest volleren Saal, um wirklich zum Fest zu werden. Ein Publikum, welches das Bühnengeschehen jubelnd mitträgt.
Wir Fünfzehn haben uns Mühe gegeben, die wunderbaren Künstler*innen (das Gender-Sternchen darf hier wirklich mal sein) gebührend zu feiern. Und wir wurden von der Bühne aus dafür auch gelobt. Aber auch wir hätten neben und rund um uns herum gerne etwas Verstärkung gehabt.