Ein gekröpfter „Don Karlos“ durch die Klassikermaschine gedreht

Die Einpersonen-Version von Schillers dramatischem Gedicht hört nach etwas mehr nach einer halben Stunde unvermittelt auf. Ein bisschen schade, denn ich hätte der Klassiker-Nummer des Schauspielers Fabian Dämmich gerne noch ein bisschen länger zugeschaut.

Eigentlich hätte das Theater Basel Mitte November sein Foyer public machen, also den riesigen Vorraum unter dem geschwungenen Betondach als Indoor-Platz für alle öffnen wollen. Das geht nun aber wegen dieser vermaledeiten Covid-19-Pandemie nicht. Aber das Theater hat seine Schotten ja glücklicherweise nicht ganz dicht gemacht, wie das an vielen anderen Orten der Fall ist/sein musste. Das trifft auch auf das Foyer zu, das mit der neuen Nebenreihe „Klassikermaschine“ nun wenigstens ein bisschen öffentlich wird (auch wenn Eintrittsgeld zu zahlen ist).

Mit „Klassikermaschine“ hat das Theater ein neues „Basis-Format“ kreiert, wie Jörg Pohl vom Schauspielleitungs-Quartett sagt. Gemeint sind Kleinstproduktionen auf Nebenspielstätten. Hier ist es ein sauber verarbeiteter Bretterverschlag, rund drei mal sechs Meter klein, der beinahe verloren Mitten in diesem riesigen Foyer steht. Beleben muss diese Kleinbühne ein einziger Schauspieler, eine einzige Schauspieler mit einem Konzentrat aus dem Klassiker-Kanon, der ja im eigentlichen Schauspielplan nicht wirklich tonangebend ist – sieht man von Dürrenmatts „Physikern“ und Tschechows „Onkel Wanja“ einmal ab.

In der Vorankündigung ist die Rede von Stücken bzw. Vorzeige-Dramenfiguren wie Hamlet, Käthchen, Othello oder Medea. Diese Aufzählung sei nicht eins zu eins zu nehmen, sagt Pohl, sondern als Umschreibung gedacht. Prinzip der „Klassikermaschine“ sei, dass die Spielerinnen und Spieler selber Vorschläge einbringen und diese dann auch mehr oder weniger alleine umsetzen. „Natürlich schauen wir rein, denn Theater braucht das dritte Auge unbedingt“, so Pohl. Aber letztlich bleiben die Protagonistinnen und Protagonisten auf sich alleine gestellt: Eine Person, ein Stück, eine Stunde nach einer Woche Vorbereitungszeit.

Don Karlos als Lonesome Cowboy

Den Anfang machte nun das Compagnie-Mitglied Fabian Dämmich mit oder besser als Schillers Don Karlos (jawohl, mit einem „K“ geschrieben). Sein Auftreten weist ihn als Lonesome Cowboy aus, dem das Pferd offensichtlich weggestorben ist (es liegt tot neben der Bühne) und der scheinbar unter einer gespaltenen Persönlichkeit leidet. Da ist auf der einen Seite – mit Sonnenbrille – die übercool und stumm posierende Heldenfigur, auf der anderen Seite der unentwegt vor sich hinplappernde Junge, der sein Coming-of-Age-Herz auf der Zunge trägt.

Das ist doch schon einmal ganz Schiller. Dieser lässt den spanischen Kronprinzen im Jammertal der unerfüllten Liebe zu seiner Stiefmutter, dem hilflosen Auftreten gegenüber dem autoritären Gehabe seines Übervater König Philipp, den Intrigen der rachsüchtigen Prinzessin von Eboli und dem bürgerlichen Freiheitsstreben seines ach so rechtschaffenen Freundes Marquis von Posa quasi verkümmern.

Dämmich kniet sich voll in dieses verzwickte und und psychologisch aufreibende Spiel rein. Inhaltliche Erklärungen packt er geschickt in Telefongespräche mit seinem Freund „Marc“ (von Posa) oder Königin Elisabeth rein. Und alles in allem umschifft er die Gefahr, das Ganze als Parodie grundsätzlich zu veralbern. Der Karlos, den wir zu sehen bekommen, ist auf berüherende Art wirklich aufgewühlt, beherrscht Schillers Verse in einem Höllentempo vorgetragen und durchbrochen mit zeitgemässen Textstellen bestens.

Und doch bleibt man als Zuschauer auf den Stufen der grossen Foyertreppe sitzend am Schluss nach nur etwa 35 Minuten etwas ratlos zurück. Don Karlos bekommt ein Lifestyle-Magazin in seine Hände und liest daraus einen Text über Missverständnisse über Vater-Sohn-Beziehungen vor. Und dann ist unvermittelt Schluss.

Das ist ein bisschen schade. Denn ich hätte gerne noch etwas länger zugeschaut. Zumindest insgesamt eine Stunde lang, wie es die Konzeptbeschreibung eigentlich versprochen hatte. Und nicht mit einem Schluss, der ein bisschen wie ein vorzeitiger Abbruch wirkt.

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