Das Theater Basel präsentiert eine ebenso wundervoll inszenierte wie gesungene „Zauberflöte“, die das Zeug zum grossen Renner hätte – wenn das Publikum bloss die Möglichkeit hätte, die Bude einzurennen.
Regula Mühlemann absolut gelungenes Debüt als Pamina – flankiert von Patrock Zielke als Sarastro und Andrew Murphy als dessen Sprecher. (Foto: Theater Basel/Ingo Hoehn)
Das mit Mozarts „Zauberflöte“ ist so eine Sache. Auf der einen Seite ist es die fantastische Musik, welche diese Oper zurecht zu einer der beliebtesten und populärsten werden liess. Und dann ist da die Geschichte, die sich zwischen Märchen, Komödie und einem unsäglich frauenfeindlichen Freimaurer-Pathos hindurchmäandriert. Als Regisseur oder Regisseurin steht Mann oder Frau vor der schwierigen Aufgabe, auf welcher Ebene er oder sie denn nun den Schwerpunkt setzen möchte.
Regisseur Simon McBurney hat sich bei dieser vom Theater Basel eingekauften Inszenierung der Dutch National und der English National Opera sowie dem Festival d’Aix en Provence eingekauften Inszenierung auf das Scheideweg-Prinzip konzentriert das praktisch alle Figuren durchs Band weg beherrscht: Da sind Tamino und Papageno, die eigentlich unsäglich überflüssige Prüfungen durchlaufen müssen, bis sie ihre Lieben in die Arme schliessen können. Und da ist Pamina, die zwischen ihrer verbittert-bösen Mutter und dem Nachfolger ihres Vaters als guruartiger Hoherpriester hin- und hergerissen wird.
Sie alle verlieren in dieser undurchschaubaren Wunderwelt, die sie zu Spielbällen macht, den Boden unter den Füssen. Michael Levine hat hierfür ein stimmiges Bühnenbild geschaffen: Eine leere schräge Ebene, auf der ein Podest schwebt, das je nach Situation zum unsicheren Boden, zur Wand oder auch mal zum Tisch werden kann. Das coronabedingt reduzierte Orchester ist nicht im Orchestergraben versenkt, sondern stets auch visuell präsent und auch immer wieder in die Handlung einbezogen – etwa wenn Tamino und Papageno ihre Zauberinstrumente Flöte und Glockenspiel erklingen lassen müssen.
Zaubertheater mit offenen Tricks
McBurney ist ein Theatermann, der voll und ganz auf das Live-Erlebnis setzt. Seine „Zauberflöte“ ist Zaubertheater, das die Tricks dahinter offen darlegt. So arbeitet die Inszenierung zwar mit Multimedia-Elementen, mit Videoeinspielungen und geheimnisvollen Geräuschen, die aber auf der Bühne live und jederzeit sichtbar konstruiert werden. Diese perfekt konstruierte Offenheit bezaubert.
Dadurch sind die Menschen auf der Bühne so für sich alleine ausgestellt, wie sie es in dieser Oper nun mal sind. Manche Figuren kommen auf überraschend verfremdete, aber durchaus nachvollziehbare Art daher: Die Königin der Nacht ist eine alte bös-verbitterte Dame im Rollstuhl und die drei wundersam weisen Knaben trippeln als ausgemergelte Zombiewesen an Stöckchen über die Bühne.
Der (natürlich höchst bedeutsame) Rest ist Musik. Und da kann die Basler Version dieser „Zauberflöte“ mit wunderbaren Protagonistinnen und Protagonisten aufwarten. Allen voran der Tenor Kai Kluge, der die Partie des Tamino mit wunderbar klarer und unangestrengter Stimme bewältigt. Und Regula Mühlemann als Pamina.
Ja diese Regula Mühlemann. Die junge Luzernerin wird in vielen grossen Opernhäusern Europas zurecht als Shootingstar gefeiert. Ihr Debüt als Pamina hätte sie diesen Frühling eigentlich an den grossen Salzburger Festspielen geben sollen. Das klappte wegen des Lockdowns nicht. Das führte dazu, dass sie ihr Rollen-Debüt nun in Basel hatte: Lediglich 15 Zuschauerinnen und Zuschauer konnten sich davon überzeugen, warum diese junge Sängerin so sehr gefeiert wird.
Theaterdirektor Benedikt von Peter sagte in einer kurzen Ansprache vor der Premiere mit bitterer Ironie zum verloren verstreuten Publikum: „Das erleben Sie hoffentlich nicht noch einmal.“
Fürwahr. Da bringt das Theater Basel eine Produktion zur Premiere, die das Zeug zum grossen Quotenrenner hätte, den sie aber noch einige Zeit lang wegen den Schutzmassnahmen nicht werden kann.
Jammerschade für alle, die dieses Opernereignis verpassen werden.