Das Theater Basel hat seinem Publikum mit dem Musical «Ein Käfig voller Narren» einen grossen Wurf beschert.

Die Geschichte kennt so ziemlich jeder, der vor französischen Kino-Komödien alter Schule nicht reissaus nimmt: Ein Schwulenpaar, das gemeinsam einen Sohn grossgezogen hat, gerät in die Bredouille, als dieser Sohn die Verlobung mit der Tochter eines erzkonservativen Politikers bekanntgibt und für den Besuch seiner Schwiegereltern den Schein einer moralisch stinknormalen Familie einfordert.
Der Film heisst «La cage aux folles», war ab den 1970ern ein phänomenaler Erfolg, wirkt heute aber etwas arg abgeschmackt. Jerry Hermann, der mit «Hello Dolly» im Komponistenhimmel der leichten Muse Unsterblichkeit erlangte, hat in den 1980ern daraus ein Musical gemacht. Und unter anderem mit «I Am What I Am» einen Song geschrieben, der in der Interpretation von Gloria Gaynor zum Disco-Welthit wurde.
Ansonsten ist das Spiel zwischen der moralischen und tuntigen Welt ziemlich Achtziger-Jahre: Geht das heute noch in Zeiten des ironisierten Understatements und der gendermässigen Durchmischung der Gesellschaft? Es funktioniert. Und wie! Auf der Grossen Bühne ist eine schrille Posse zu erleben, die berührt, und ein sensibles Psychogramm, das Lachsalven auslöst. In der Basler Inszenierung vereinen sich diese Widersprüche zur hinreissenden Theater-Melange, die das Premierenpublikum zu Standing Ovations bewegt.
Kluge und präzise Inszenierung
Das liegt an der klugen und präzisen Inszenierung von Martin G. Berger, der genau weiss, wie weit er gehen kann, bevor der Sturz in den peinlichen Klamauk droht. Das liegt an der Bühne von Sarah-Katharina Karl, die bis auf eine schiefe Spiegeldecke leer bleibt und den Glitzer und Glamour der Transvestitenwelt der Darstellern überlässt, die von Esther Bialas herrlich schräg eingekleidet werden. Und das liegt an der stimmigen Choreografie von Marguerite Donlon.
An erster Linie sind es aber die vorzüglichen Darsteller, die das Musical zum Theaterereignis machen. Allen voran Stefan Kurt als zerbrechliche und alternde Tunte, die als Zaza auf der Bühne zur grandiosen Diva avanciert. Wie er zwischen diesen beiden Polen hin- und herpendelt, ist hinreissend: Wie er zuerst eingefallen und fast erbärmlich mit nacktem Oberkörper als verlorenes Individuum dasteht, als ihm aber das Fummelkleid übergezogen wird, fliessend zur Grande Dame der Travestie mutiert, ist grosses Theater. Alleine die Szene, wenn er als Dragqueen im Nachtclub in waschechtem Baseldytsch mit dem Publikum flirtet, ist das Geld für die Eintrittskarte wert.
Ihm zur Seite steht mit Roland Koch als Lebenspartner Georges ein ebenso fulminant aufspielender Darsteller, der in seinen berührenden Liebesbezeugungen zu Albin nicht davor zurückschreckt, bis an die (aber nicht über die) Grenzen des Kitsches zu gehen – das darf in diesem Musical durchaus sein.
Der einzige Profisänger singt nicht
Martin Hug überzeugt als präzise gezeichnete Karikatur des rechtspopulistischen Politikers Edouard Dindon, der in seinem Geschwafel über Selbstbestimmung und Überfremdung aber erschreckend nahe bei tatsächlichen Vorbildern aus der SVP oder AFD bleibt. Die restlichen Darsteller, von Max Rothbart als forsch fordernder Sohn Jean-Michel über Liliane Amuat als seine Verlobte, Nicola Kirsch als Dindons Ehefrau und Myriam Schröder als leibliche Mutter Jean-Michels bis zur schrillen Truppe der tanzenden und singenden Cagelles runden eine tolle Ensembleleistung ab.
Eine besondere Erwähnung verdient Karl-Heinz Brandt als Butler oder Dienerin Jacob: Er ist der einzige professionelle Sänger im Ensemble, der aber in dieser Inszenierung ausser in einer Chorpassage am Schluss nie singt, dafür aber umso lustvoller aufspielt.

Bleibt das Orchester unter der Leitung von Thomas Wise. Der Dirigent hat die Kompositionen für ein elfköpfiges Orchester neu arrangiert und das auf vorzügliche Weise.
Wenn ein Stadttheater ein Musical auf den Spielplan setzt, bleibt oft ein durchzogener Eindruck der Gefälligkeit. Das gilt bei «Käfig voller Narren» für einmal ganz und gar nicht. Das Theater Basel gibt dem Affen Zucker – und zwar eine ganz gehörige Portion. Aber so gut gemacht, so wunderbar austariert, dass es eine reine Freude ist.
Ein Gedanke zu “Zaza und Dadada – oder: So hinreissend komisch und berührend kann Musical sein”