Stefan Pucher inszeniert Max Frischs «Biedermann und die Brandstifter» am Theater Basel als Weltuntergangsklamotte.

Eigentlich ist Frischs 1958 uraufgeführtes «Lehrstück ohne Lehre» so etwas wie das Drama der Stunde. Die Welt steht in Flammen: Die Weltmacht USA droht zum diktatorischen System zu verkommen, Russland ist es längst, die Klimakatastrophe scheint unabwendbar – und fast alle schauen, die Hände in den Hosentaschen, zu.
Im Wallis werden Pläne geschmiedet, wie das von Bergstürzen zerstörte Dorf Blatten irgendwie wieder aufgebaut werden kann, ohne dass man sich gross Gedanken darüber macht, wie man nachhaltig den Ursachen begegnen könnte.
Donald Trumps autokratische Zollpolitik führt bei den Betroffenen zu Bücklingen, während Putin seine Grossmachtgelüste territorial über die Ukraine hinaus auszudehnen scheint.
Vom Recht, überhaupt nichts zu denken
Max Frisch hat in seinem Stück jegliche Aktualitätsbezüge vermieden und damit gleichzeitig die Tore dafür geöffnet. Erzählt wird die Geschichte des Haarölfabrikanten Gottlieb Biedermann, der wider besseres Wissen und aus feigem Opportunismus heraus zwei Brandstifter in sein Haus lässt und ihnen sogar dabei behilflich ist, das Haus aus reiner Zerstörungslust heraus in Schutt und Asche zu legen.
«Ich habe das Recht, überhaupt nichts zu denken», sagt Biedermann stellvertretend für die weit verbreitete Mentalität, düstere Tatsachen zu verdrängen. Es ist eine Parabel, die viele Interpretationsspielräume zulässt, aber auch offenlässt. Ein provokantes «Lehrstück ohne Lehre» eben.
Pucher hat sich nun in seiner Basler Inszenierung, die sich stringent und mit nur wenigen Strichen und Ergänzungen an Frischs Dramentext hält, um eine Entscheidung gedrückt. Er fokussiert auf die schon von Frisch genannte Form der «Burleske». Damit wird die Geschichte zur mehr oder weniger oberflächlichen Klamotte vereinfacht – mit Figuren, die von ihrer Parabelhaftigkeit zur Karikatur heruntergestuft werden.
Währenddessen lässt Pucher am Bühnenportal mahnende Worte wie «Was rechtfertigt Ihr heutiges Schweigen?» oder «Was kostet Mut in Ihrer Welt?» vorüberfahren.
Auf die Hinterwand der Drehbühnen-Stube, auf der aus welchem Grund auch immer die Leuchtschrift «Hollywood» prangt, werden historische Videos von Staatsempfängen mit Diktatoren und Grossbrandszenen projiziert. Damit wird dem «Lehrstück ohne Lehre» letztlich auf plakative Art doch eine Lehre aufgepfropft.
Kapitalismus-Kritik im Geisterbahn-Dekor
Die Bühne wurde von Nina Peller mit einer Geisterbahn-Tapete mit zombiehaften Gestalten und Totenschädeln sowie Szenerien des jüngsten Gerichts überzogen. Auf einem TV-Bildschirm flackert als Kaminfeuer-Ersatz eine Art Höllenfeuer. Die Kostüme von Annabelle Witt sind so schrill, wie die Figuren gezeichnet werden. Gottlieb Biedermann (Jan Bluthardt) ist eine mittelständische Kapitalismus-Parodie, die kaum je über den jammernd vorgetragenen Gutmenschen-Wunsch hinauskommt.
Seine Ehefrau Babette (Bärbel Schwarz) könnte einem Loriot-Sketch entsprungen sein, würde sie bei musikalischen Intermezzi gegen Schluss des Abends nicht zur E-Gitarre greifen. Das gilt auch für das ebenso ängstlich wie forsch auftretende Dienstmädchen Anna (Barbara Colceriu).
Die beiden Brandstifter (Daniel Lommatzsch und Marie Löcker) dürfen immerhin noch etwas Dämonisches ausstrahlen, was aber durch das düster-monsterhafte Make-up wiederum ins Cartoonhafte überhöht wird.
Auf die Spitze getrieben wird dies, wenn einer der Brandstifter im Verlauf des Stücks im gehörnten Pelz-Outfit des berüchtigten US-Kapitol-Stürmers QAnon Shaman in Erscheinung tritt, ohne dass dieser Fingerzeig auf die zerrütteten politischen Verhältnisse in den USA weiter verfolgt wird.
Als ernsthaften Gegenpol dazu lässt Pucher den Chor der Feuerwehrleute auftreten (Sebastian Baumgarten, Esther Gaspart, Phaea Korycik und Alina Trippl), die mit vorgehaltenen antiken Stabmasken aufzeigen, dass Frisch deren Rolle den antiken griechischen Tragödien entnommen hat.
Die Gefährlichkeit bleibt aussen vor
In einem Interview im Programmheft ist Puchers Aussage zu lesen, dass sich viele Theatertexte witzig lesen würden, was aber auf der Bühne verpuffe, wenn man der Witz spielen wolle. «Man muss es ernst spielen – dann wird es komisch, weil es absurd ist.»
Der Regisseur hat sich nicht an sein Gebot gehalten. Die Klamotte, die auf der Bühne des Schauspielhauses zu erleben ist, bringt letztlich wenig von der beunruhigenden Gefährlichkeit über die Rampe, von der das Stück eigentlich lebt.
Die Basler Inszenierung des gegenwärtig vielerorts gespielten Frisch-Klassikers «Biedermann und die Brandstifter» wird so gewissermassen zum Lehrstück mit viel Leere.
Der Text erschien am 17. Oktober 2025 in der bz Basel.
