Spaziergang durch die Sphären von Christoph Merians einstigem Sommersitz

Auf einem vergnüglichen und lehrreichen Audiowalk führen Recycled Illusions durch die Meriangärten in Brügligen bei Basel und damit durch die Geschichte und Geschichten rund um den ehemaligen Sommersitz des berühmten Basler Handels- und schliesslich Stifterpaars.

Der 70-minütige Spaziergang und die über Kopfhörer erzählten Geschichten bleiben bei jedem Slot dieselben, reizvolle Variationen ergeben sich aber durch die reale Umgebung, die man gemächlichen Schrittes durchwandert (rund 6500 Schritte hat der omnipräsente Zähler auf dem Smartphone bei mir protokolliert).

So also stellte sich an diesem sonnendurchfluteten Mittag bei der Vorpremiere ein Irritationsmoment ein, als die Kopfhörerstimme einen ausgerechnet bei einem in der Grasböschung liegenden, wohl etwas exhibitionistisch veranlagten und in irgendwelche Tantraübungen vertieften Paar aufforderte stehenzubleiben. Aber der Blick sollte gemäss Stimme in die andere Richtung, hinunter zur Gartenebene mit der Iris-Sammlung schweifen.

Diese fusst, wie eine der Merian-Gärtnerinnen erzählt, auf einer Schenkung der Gräfin Helen von Stein-Zeppelin, die den Merian-Gärten 800 Iris-Sorten vermachte. Von Stein hatte während des Ersten Weltkriegs als Mädchen angefangen, Iris-Sorten zu züchten. Viel von den Blüten ist in der frühen Jahreszeit noch nicht zu sehen, aber die Geschichte dahinter ist hübsch genug.

Kurz zurück zum Tantra-Paar: Vielleicht heiraten die beiden mal in den Gärten, die ein sehr beliebtes Hochzeitsparadies sein sollen, wie zu erfahren ist.

Die Queen, die Merians und ich.

Es sind diese Vermischungen zwischen der fiktionalen Einspielungen und der realen, an diesem wettermässigen schönen Mittag recht bevölkerten Umgebung, die den besondern Reiz des auch visuell reichhaltigen Audiowalks ausmachen. Zuweilen ergeben sich originelle Zufälle: An einem Aussichtspunkt wird man aufgefordert, sich auf die dortige Bank zu setzen. Dies ist aber nicht möglich, weil ein Mann ausladend die gesamte Sitzfläche belegt und für sich alleine Anspruch genommen hat. Gleichzeitig erzählt eine der Kopfhörerstimmen vom unten im englischen Garten sichtbaren so genannten Götterbaum, der als invasiver Parasit die fatale Eigenschaft hat, einheimische Pflanzen zu verdrängen.

Ich hätte auf Lautsprecher gestellt, wenn ich einen gehabt hätte.

Als die Queen hier speiste

Der Walk führt vorbei an der frisch renovierten Villa Merian zur idyllischen Häusergruppe rund um die alte Mühle, die jetzt ein kleines Museum ist. Die Stimme erzählt vom hohen Besuch im Jahr 1980, als sich Queen Elisabeth II. beim Besuch der grossen Gartenschau Grün 80 in der Villa zum Gala-Lunch niederliess. Für diesen Besuch hatte Basel extra Gemälde von Arnold Böcklin vom Kunstmuseum in die Villa disloziert. Unter anderem die berühmte „Toteninsel“ – vielleicht als Reminiszenz der toten Frauen, die noch um die einst als Erholungsheim des Bürgerspitals genutzte Villa herumgeistern sollen. Aber keine Angst: nur nachts.

Der Audiowalk mit dem Titel „Unter freiem Himmel“ ist lehrreiche Entspannung oder eine entspannende Lehrstunde. Nun gut, ich selber hatte das Glück, einen wunderbaren, nicht zu heissen Frühlingstag erwischt zu haben, während dem sich die saftig grüne Umgebung von sich aus zum Kraftort entwickelt.

Als jemand, der die Merian-Gärten bislang jeweils nur punktuell besucht hat, ist es für mich gewiss, dass ich zurückkommen werde. Etwa wenn die frisch renovierte Villa Ende April wiedereröffnet werden wir – exakt 200 Jahre nachdem Christoph sie von seinem Vater als Hochzeitsgeschenk erhielt.

„Unter freiem Himmel“ von Isabelle Stoffel (Recycled Illusions). Von April bis September sind die Audiowalks buchbar, jeweils von Donnerstag bis Sonntag, zwischen 13 und 16 Uhr.

Ein Gedanke zu “Spaziergang durch die Sphären von Christoph Merians einstigem Sommersitz

  1. lieber dominik,

    leider bin ich zu alt um noch 6000 schritte zu machen.

    trotzdem vielen dank für den hinweis der führung.

    Und: dem platznehmenden mann begegne ich mit höflichem exgüsi und nehme mir

    den platz den ich benötige.

    rita

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