Agentenklamauk mit Flachwitz

«Erpresso Macchiato» auf der Kleinen Bühne des Theater Basel kommt wie ein überdrehter Tiktok-Clip daher. Einer, der auf anderthalb Stunden Dauer ausgedehnt wurde.

Natürlich bin auch ich als Theaterbesucher subjektiv, habe ich meine Vorlieben und Abneigungen, die ich beim Schreiben und Beschreiben nie ganz weglegen kann.

Warum ich das hier so herausstelle? Viele junge Zuschauerinnen und Zuschauer feierten die drei Schauspielerinnen und die künstlerische Leitungs-Entourage nach anderthalb Stunden mit frenetischem Applaus, manche gar mit Standing Ovations, während ich noch darüber nachsinnierte, wie ein Haus mit dem Qualitätsanspruch und -ausweis, wie das Theater Basel, eine solch belanglose Produktion herausbringen kann.

Angekündigt wird eine rasante Spionagekomödie, geschrieben und inszeniert von Franz Broich und dem Ensemble, in diesem Fall bestehend aus Elmira Bahrami, Marie Löcker und Annika Meier. Es sind dies drei Schauspielerinnen, die in Basel schon bewiesen haben, dass sie auch im lustigen Fach zu überzeugen vermögen. Aber nur dann, wenn sie einen Text haben, der einigermassen etwas hergibt und eine Regie, die über eine Grundidee hinaus so etwas wie ein Konzept hat.

Agenten ohne Auftrag

Der Abend fängt mit verpixelten Einspielungen von alten Werbespots an, gefolgt von Filmaufnahmen dreier zwielichtiger Gestalten, die durch das Fasnachtstreiben oder die nächtliche Peripherie Basels hetzen und in einer Kirche ein konspiratives Treffen vollziehen. In Fleisch und Blut sowie mit Pistole im Anschlag auf der Bühne angelangt, die ein Museum darstellen soll (was aber ausdrücklich gesagt werden muss), entpuppen sich die drei als Geheimagenten im Schatten des grossen James, dessen Nachname nicht genannt wird, aber auch nicht genannt werden muss.

Und was tun nun diese drei Agenten, die allesamt männliche Namen tragen, wie geht es weiter mit ihnen? So einfach lässt sich dies nicht sagen, denn eine Handlung oder ein roter Faden lässt sich kaum herauskristallisieren, auch wenn die respektive der eine der Agenten einen solchen Faden in bemühter Absichtslosigkeit kreuz und quer über die Bühne spannt.

Dem Agententrio geht es gleich wie dem Publikum. Die drei auf der Bühne wissen auch nicht, wie ihnen geschieht. Sie haben offensichtlich keinen Auftrag. Und damit keine Zukunft. Also müssen sie sich mit dem Vergangenen auseinandersetzen, sofern sie sich überhaupt noch daran zu erinnern vermögen: an Verfolgungsjagden in schnellen Autos, an Folterungen, an die Art, wie die Bösewichte aus dem Weg geräumt wurden.

Nummernrevue des Agentenklamauks

Vor diesem Hintergrund wird der Abend zur von Wortspielereien und Grimassen geprägten Nummernrevue des Agentenklamauks. Das Geschehen hangelt sich parodierend von Klischee zu Klischee. Das ist mal einigermassen witzig, wie in der Szene, in der sich zwei der Agentinnen in einer Original-Aufnahme des Zuschauerraums beim Eintreffen des Publikums im Lippenlesen üben. Das ist, gelinde gesagt, platt, wenn die drei in ferngesteuerten Spielzeugautos im Midi-Format auf der Bühne ihre Runden drehen.

«Authentizität ist ein Wort, das ich nicht aussprechen kann», sagt eine der Agentinnen einmal. Ein solcher Mangel führt offensichtlich direkt zum Flachwitz. «Zwei Martini», bestellt die eine an der vom Bühnenhimmel heruntergeschwebten Bar. «Dry?», fragt die Barfrau. «Nein, zwei.» Oder noch flacher: «Mit ist das Kondom geplatzt!» «Im Ernst?» «Nein, im Detlef.»

So plätschert der Abend belanglos vor sich hin. «Ein Spion ohne Mission? Das ist einfach nichts», bemerkt eine der Agenten einmal. Dasselbe könnte man über ein Theater ohne Mission sagen. «Erpresso Macchiato» kommt wie ein Aufmerksamkeit heischender Tiktok-Clip daher. Nur dass dieser hier nach 20 Sekunden noch lange nicht vorüber ist.

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  • Dieser Text erschien am Montag in der „bz Basel“.
  • „90 Minuten für die Katz“ ist das Verdikt des Rezensenden in der „Basler Zeitung„, dem die Aufführung die Lust am Theater verdorben hat, wie er schreibt.
  • „Nur der billige Witz ist ein guter Witz“, befindet der Rezensent auf dem Theaterportal „Nachtkritik“. Die Aufführung „führt nahe an die Aushöhlung einer künstlerischen Wertigkeit“, so das Fazit der Besprechung.
  • Ganz anders die Meinung des Kritikers auf dem News-Portal Bajour. Der Rezensent hatte offenbar „Spass mit Spionen“. „Die witzige, handwerklich perfekte und unverbindliche Parodie entsprach ganz offensichtlich der Gemütslage des jungen Publikums, das zahlreich anwesend und sehr begeistert war“, ist auf Bajour zu lesen.

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