Regisseurin Eva Trobisch und ein herausragendes Schauspieler- und Schauspielerinnen-Quartett begeistern auf der Kleinen Bühne des Theater Basel mit einer „Penthesilea“, die ganz nahe an Kleists Vorlage so viel über das Leid der Menschen in diktatorischen Zwängen zu offenbaren vermag.

Es kommt, wie es kommen muss in der und vor allem dieser Tragödie. Alles wendet sich hoffnungslos zum Schlechten zu. Auf allen Vieren schleicht die Amazonenkönigin Pethesilea zurück in die Szene. In ihrer Hand das Herz von Achilles, den sie im finalen Kampf nicht nur geschlagen, sondern im rasenden Furor vernichtet, regelrecht zerfetzt hat. Einem kleinen jammernden Kind gleich setzt sie sich an die Rampe und nuckelt am Herzen des Mannes herum, den sie doch eigentlich so sehr geliebt hat, hatte lieben wollen, wenn das strube Gesetz der Amazonen, das einen Liebesmoment nur mit dem Mann zulässt, den frau besiegt und mit finaler Todesfolge unterworfen hat, dies nur zugelassen hätte.
Es ist der Höhepunkt von Aenne Schwarzs Darstellung, nein Verkörperung von Kleists „Pethesilea“. Es ist ein fulminanter Auftritt, ein Tanz auf dem Grat zwischen kriegerischer Macht, königlichem Stolz und der Hingabe und Verletzlichkeit einer Liebenden. Wie durchsichtig erscheint ihr Wesen zuweilen, so durchlässig, als ob man mitten in ihre Seele blicken könnte. Dann aber wieder ist der Panzer der Kriegerin da, stolz, mächtig, Eindruck schindend.
Ihr Gegenpart wirkt da ganz anders. Fabian Krüger als Achilles ist ganz und gar nicht der Held, wie wir ihn uns vielleicht vorstellen aus Homers Übertragung des Tronanischen Kriegs. Er ist, mit blutigen Furchen übersäht und in einem dreckigen Morgenrock gewandet, ein abgehalfteter Abgesang auf den quasi unverwundbaren Kämpfer, kriegsmüde und abgelöscht durch und durch. So schlurft er als lächerliche Figur über die Bühne. Leben kehrt in ihn erst ein, wenn er sich im Liebestaumel mit Pethesilea kurz vergessen kann. Nur kurz.
Dieser Achilles weiss, dass er den finalen Kampf nicht überleben wird. Auch wenn er vorgeben will, pro Forma am Kampf zu unterliegen, um Penthesilea und sich gemäss Amazonen-Diktat die Liebsnacht oder -nächte zu gewähren. Aber er will offensichtich sterben. In einer kleinen, beinahe unscheinbaren Geste weist er die geliebte Widersacherin auf seine Ferse hin: die legendäre Achillesferse, der einzige Körperteil, bei dem er verwund- und tötbar ist.
Fantastischers Bühnendebut
Das ist eines der Regieeinfälle von Eva Trobisch. Die junge Filmregisseurin hat sich für ihr fantastisches Bühnen-Debut gleich diesen Kassiker-Hammer vorgenommen und damit voll ins Schwarze getroffen. Sie vertraut auf die Sprachmacht von Kleists Text, die so gross ist, dass inhaltliche Ungereimtheiten aus heutiger, aus ihrer Sicht nicht stärker ins Gewicht fallen.
Ihre Inszenierung rechtfertigt nicht, warum Penthesilea sich erst als starke Frau beweisen (und fallen) kann, wenn sie brutalen patriarchalischen Mustern folgt. Sie zeigt es einfach: Mann und Frau scheitern gemeinsam an der brutalen Welt mit ihren irrwitzigen Gesetzen.
Trobisch hat dabei starke szenische Einfälle, die aber nie aufgesetzt wirken. Wenn Penthesilea und Achilles sich ihrer Liebe so wirklich bewusst werden, tritt Achilles‘ Begleiter Odysseus (Sven Schelker) in die Szene. Aus der Schlacht eilend, völlig deplatziert mit zwei abgehackten Köpfen von Amazonen in der Händen. Er tauscht sie im Kühlschrank gegen zwei Wassermelonen aus, die dann, von der Streitaxt zerstückelt, gemeinsam verspiesen werden. Und da ist, um es zu vollenden, auch noch Penthesileas Vertraute, Prothoe (Gala Othero Winter), die die Königin mit nachlassendem Elan zu mässigen versucht.
In einere Interview auf dem Programzettel sagt die Regisseurin Eva Trobisch, dass sie das Stück ausgewählt habe, weil es als das „Unspielbarste“ gelte. Davon ist bei ihrer Inszenierung mit den tollen Schauspielerinnen und Schauspielern ganz und gar nichts zu spüren.