Nora Schlocker bleibt bei ihrer Dramatisierung von Dürrenmatts Anti-Krimi «Das Versprechen» bis kurz vor Schluss an der Oberfläche des durchbrochenen Plots kleben.

In der Schlussszene bekommt der Theaterabend den Tiefgang, den man die anderthalb Stunden zuvor vermisst hat: Mit stumpfen Augen, den nicht mehr sehenden Blick starr nach vorne gerichtet, sitzt die alte Frau im Rollstuhl und lässt sich von einer Altenpflegerin die Füsse Waschen. Da ist symbolgeladen, aber stimmig.
Es ist vor allem ein starker Auftritt von Carina Braunschmidt als Frau Schrott. Das ist in Dürrenmatts berühmten «Requiem auf den Kriminalroman» mit dem Titel «Das Versprechen» die Mutter des Kindermörders, den Kommissär Matthäi mit wachsender Verzweiflung, aber letztlich vergebens dingfest machen will. Frau Schrott beklagt in verbittertem Ton den Unfalltod ihres dritten Sohnes, von dem sie weiss, dass er drei Kinder ermordet hat.
Subversiv und hinterlistig
Hier dringt Dürrenmatts subversiv-hinterlistige Art, wie er sein Drehbuch zum Film «Es geschah am hellichten Tag» zum Roman umgeschrieben hat, durch. Während die Mutter des zu Beginn der Geschichte ermordeten Mädchens (ebenfalls Braunschmidt) mit dem Schicksal mehr oder weniger ins Reine kommt, weil ein falscher Beschuldigter den Tod findet, hadert die alte Frau mit einem Anflug bitterer Mutterliebe mit dem Schicksal, das ihr das letzte Kind genommen hat.
Regisseurin Nora Schlocker hat vor, mit der Dramatisierung der Geschichte um den demissionierten Kommissär Matthäi, der sich mit der Suche nach dem richtigen Kindsmörder um den Verstand bringt, zu berühren. Hierfür stellt sie quasi als Gefühlsbeschleuniger eine Kinderschar auf die Bühne (Kinder aus der Mädchen- und Knabenkantorei), die wie ein antiker Chor das Geschehen beobachtet und wortlos besingt.
Doch diese Idee wirkt sich nur in einer Szene schlüssig und gewinnbringend aus: Dann wenn Kommissär Matthäi nach Worten ringt und sich verhaspelt, als er der Kinderschar erklären muss, wie es zu so einem grauenvollen Verbrechen hat kommen können. Ansonsten wirkt die Anwesenheit der Kinder zumeist aufgesetzt – was aber, das sei hier betont, nicht an den jungen Darstellern liegt.
Hinter Panzerglas
Auch sonst bleibt der an und für sich stringent gebaute Abend trotz der konzentrierten Auftritte der Darsteller an der Oberfläche des von Dürrenmatt durchbrochenen Krimiplots hängen. Regelmässige Besucher von Basler Schauspiel-Inszenierungen wissen zum Beispiel, was für ein herausragender Schauspieler Michael Wächter ist. Doch in Schlockers Inszenierung bleibt er bis zum Schluss der trocken-bürokratische Fachidiot, als den Dürrenmatt ihn zu Beginn seiner Geschichte vorstellt. Die Wandlung zur Besessenheit wird nicht wirklich spürbar.

Dass Schlockers Absicht, «mit dem Stoff unmittelbar, schrankenlos die Zuschauer zu tangieren, zu berühren», wie sie im Programmheft schreibt, nicht durchdringt, mag auch am Bühnenbild liegen. Bühnenbildnerin Marie Roth trennt mit einer Wand aus Panzerglas die Bühnenrampe vom offenen hinteren Teil der Bühne ab. Inhaltlich lässt sich die Gestaltungsidee nachvollziehen: Zäune und Mauern werden gebaut, um das gesteigerte Bedürfnis nach Sicherheit zu garantieren. «Schrankenlos die Zuschauer zu tangieren, zu berühren», ist so aber nur noch sehr bedingt möglich.