Mit der „Götterdämmerung“ fand am Theater Basel Richard Wagners Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“ ihren Abschluss. Es ist ein langer, aber keinesfalls langweiliger Abend, der mit einem berührenden und packenden Ende zu überzeugen vermag.

„Zurück vom Ring!“ Das letzte Wort in Richard Wagners Monsterzyklus „Der Ring des Nibelungen“ hat der Intrigant und Bösewicht Hagen. Regisseur und Theaterdirektor Benedikt von Peter legt diesen verzweifelt mahnenden Ausruf aber dem tyrannischen Göttervater Wotan in den Mund, der im Libretto und in der Partitur der „Götterdämmerung“ eigentlich nichts mehr zu sagen respektive zu singen hätte.
In der Basler Inszenierung ist er dennoch als herumgeisternde Erscheinung bis auf diese letzte Sequenz stumm, aber dennoch stets präsent. Das ergibt in der Inszenierung von von Peter (und seiner Co-Regisseurin Caterina Cianfarini) durchaus einen Sinn. Denn der Basler Ring legt den bestehenden Fokus stark auf das von Brünnhilde kommentierte Ansinnen Wotans, die Welt dem Untergang zu weihen.
Ob dies nach gut 16 Stunden Aufführungsdauer (ohne Pausen) wirklich geschieht, lässt er offen. Den Rheintöchtern gelingt es nicht, den verfluchten Ring wieder auf den Grund des Rheins zu verbannen. Die Menschen verlassen in einer berührenden Schlussszene zum ebenso eindringlichen musikalischen Ausklang die Welt der alten Götter. Wotan und der böse raffgierige Zwerg und Nibelunge Alberich bleiben einsam und konsterniert vor den Ruinen der abgebrannten Götterburg Walhalla zurück. Wotan hat den Ring (der zuvor auf verwirrende Art die Trägerinnen und Träger wechselte) in der Hand. Aber was soll er nun damit, wo alles um ihn herum entschwunden ist?
Mit der „Götterdämmerung“ fand die Herkulesaufgabe, den „Ring des Nibelungen“ auf die Bühne zu stemmen, ihren Abschluss. Es ist der längste Abend von Wagners Bühnenfestspiel, der in der Basler Inszenierung vor allem in den Anfangs- und Schlusszenen zu überzeugen vermag. Wagner bringt hier die Handlung von der Götter- in die Menschenwelt, namentlich an den Hof der Gibichungen mit dem ordinären fürstlichen Geschwisterpaar Gunther und Gutrune, die als Marionetten des bösen Drahtziehers Hagen den Helden Siegfried, der unter dem Einfluss eines Vergessenheitstranks seine Geliebte Brünnhilde verrät, zu Fall bringen sollen.
Expressiv und melodiös
Auffallend zeigt sich das auch in der Musik. Wagner verbindet in „Götterdämmerung“ die expressiven bis disharmonischen Klänge der vorhergegangenen Teile mit melodiösen Motiven und mit Sequenzen, die an Arien denken lassen (vorzüglich Trine Møller in ihrem langen Schlussgesang als Brünnhilde, Jasmin Etezadzadeh als mahnende Walküre Waltraute, Rolf Romei als verstörter Siegfried und Patrick Zielke als dämonischer Hagen). Sogar der Chor taucht als Hochzeits- und Jagdgesellschaft auf. Das nach wie vor unter den Bühnenboden verbannte Sinfonieorchester Basel meistert die Partitur unter der Leitung von Jonathan Nott mit viel Verve.
Die Inszenierung geht diese inhaltliche Rückkehr in die Menschenwelt unterschiedlich stimmig an. Ausgesprochen originell ist die Idee, einen Zügelwagen auffahren zu lassen und das bislang als Walhalle und Drachenhöhle genutzte Vorstadt-Fertighaus als neureiche Villa der Gibichungen einzurichten (was dem zuvor seltsam anmutenden Hausgerüst auf der Bühne einen nachvollziehbaren Sinn verleiht). Weniger einnehmend ist auf der anderen Seite die Idee, den Chor fast schon operettenhaft agieren zu lassen und mit Bierbüchsen und bunte Bänder verschiessenden Spielzeugpistolen auszustatten. Und der Umstand, dass die Inszenierung die Menschen und zu Halbmenschen mutierten Helden sehr dem Alkoholtaumel überlässt, was zur Folge hat, dass zum Beispiel die Schlüsselszene der Verkupplung Brünnhildes mit Gunther mit Hilfe des Tarnhelms etwas gar vertorkelt wird.
Es scheint fast so, also wollte die Regie die Zuschauerinnen und Zuschauer nach dem dunklen und (stimmungsvoll) in Szene gesetzten ersten, etwas langen Teil für den Bruch zum dritten Teil wieder wachrüttelen.
Eindrückliche Schlussszene
Im letzten, dem dritten Aufzug, gehts zurück zur wagnerianischen Ernsthaftigkeit und damit auch zum einnehmenden stimmungsvollen Setting. Siegfried ist kein heldenhafter Tod vergönnt, er muss sich als Jammergestalt hinterrücks ermorden lassen. Dazu passt auch, dass Brünnhilde nach ihrer gesanglichen Abrechnung mit der alten Götterwelt sich nicht in das Flammenmeer der brennenden Götterburg Walhalla stürzt, sondern den „Verfluchten Reif!“, den „Furchtbarer Ring!“ zu Boden fallen lässt und abgeht. Wohin die Reise geht, lässt die Inszenierung offen. Beziehungsweise überlässt sie der Musik Wagners, die mit beinahe schon hoffnungsfrohen Klängen zum Abschluss gelangt.
Theater Basel · Starke Scheite
Es ist ein berührenden und eindrücklicher Schluss, dem das Publikum einen frenetischen Applaus folgen liess.
