Da ist er jetzt: Sulzers „Zigeuner“-Roman

Nun ist er da, der Roman von Alain Claude Sulzer, der viele Monate vor seiner Veröffentlichung für so viel Aufregung gesorgt und zensurähnlichen Auswüchsen geführt hatte. Das Resultat ist eine feinsinnig geschriebene Freundschafts- und Künstlergeschichte, in der – gemäss der Zeit, in der die Geschichte beginnt–, ganz banal das Wort ZIGEUNER vorkommt.

Die NZZ bringt es auf den Punkt: „Alain Claude Sulzers neues Buch ist eine Betrachtung über die Vergänglichkeit und die Blamage für eine Kulturbehörde.“ Und in den CH-Media-Zeitzungen wird diese Blamage ausgedeutscht:

„Die Kulturverantwortlichen in Stadt und Kanton Basel hatten sich über das mehrheitlich positive Urteil ihrer externen Fachjury hinweggesetzt. In ihrem woken Furor wollten sie prinzipiell kein Werk fördern, in welchem das Z Wort vorkommt. Statt sich für die Freiheit der Kunst einzusetzen, setzten die obersten Basler Kulturbeamtinnen auf Gesinnungsschnüffelei.“

Die NZZ fühlt sich bemüssigt, den Kulturbeauftragten der beiden Basel (gemäss Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Basler Grossen Rats insbesonderre derjenigen aus Baselland) zu erklären, wie Literatur funktioniert:

„Man kann das schlecht finden, weil der Autor mit abgedroschenen Formeln hantiert. Freilich unterliegt man dann einem Trugschluss. Denn es ist nicht Sulzers Weltbild, das ausgestellt wird. Vielmehr macht der Schriftsteller die beschränkte Sicht seines Ich-Erzählers auf seine Gesellschaft sichtbar: Sulzer zeigt ihn so, wie einer spricht, der immer mit dem erstbesten Bild und der biedersten, weil allen bekannten Wendung zufrieden ist. In seiner dürftigen Sprache werden auch die Grenzen seines Denkens sichtbar.“

Nur Bajour bleibt dabei, das „Zigeuner“-Wort im Roman, der ansonsten als lesenswert bezeichnet wird, zu hinterfragen:

„Es stellt sich die Frage, weshalb das Z-Wort dermassen penetrant im Buch erscheint. (…) Es schwingt die Haltung mit: «Das wird man heute ja wohl noch sagen dürfen». Ja, man darf. Man muss aber nicht.“

Nun denn, man muss Sulzers Roman nicht lesen, aber man darf es. Und wer es tut, wird es nicht bereuen denn es ist ein ausgesprochen lesenswertes Werk über eine Männerfreundschaft, über Aids, über Kunst und das Verschwinden. aber lassen wir den SRF-Literaturredaktor urteilen:

„Alain Claude Sulzer erzählt die Geschichte der beiden Freunde unaufgeregt und sparsam. Immer hat man das Gefühl, dass da noch viel mehr drinsteckt, als der Autor zeigt. Ein paar Punke und Striche, drei Wendepunkte im Plot und das Vertrauen auf eine Grundstimmung reichen, um diesen wunderbaren Text zu schreiben. «In stiller Wucht», wie es auf dem Buchrücken treffend heisst.

Der ganze Rummel um das eine Wort hingegen verblasst mit jeder Seite mehr. Gut so. Denn angesichts der Qualität des Romans ist der schlicht irrelevant.“

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