Zaubertheater ohne Zauber

„Kranke Hunde“ von Ariane Koch will mit einer sarkastischen Posse die Entmenschlichung des Gesundheitswesens und die gesellschaftliche Ächtung von Krankheit entlarven. Das ist bei der Basler Inszenierung von Sebastian Nübling nur ganz am Rand gelungen.

Star des Abends, oder sagen wir mal: Die besten Auftritte im Stück mit dem Titel „Kranke Hunde“, den es irgendwie wörtlich zu nehmen gilt – geht es doch um einen angeschlagenen Windhund in einem Hundespital – hat eine Katze. Die Höllenkatz (von Gala Othero Winter herrlich schräg als eine Mischung von überkandideltem Vamp und einem gruselig-pelzigen Mönsterchen gespielt) ist die böse Verführung aus der Pharma-Hölle. Also von dem Ort, wohin der ganze Lebensschrott verfrachtet wird, wie sie sagt. Sie verlangt mephistotelisch das „halbe Leben“ der kranken Hündin, während sie die Leber aus der offenen Bauchhöhle der Patientin auf dem Operationstisch aussaugt. Und sie versorgt die verzweifelte Patientin mit allerlei Drogen.

Das ist wüst, schräg, unanständig, aber auch witzig. Die Höllenkatz ist die böse Närrin in einem Spiel, das als Ganzes böse sein will, was ihm unter dem Strich aber nicht wirklich gelingt.

Die Autorin des Stücks, Ariane Koch, gibt im Programmzettel zu ihrem Auftragswerk ein Interview, das inhaltlich viel erwarten lässt. Da ist von der Ungleichbehandlung von weiblichen Körpern in der medizinischen Forschung die Rede, von der Krankheit als Makel im kapitalistischen System. Im Stück kommt die permanente Überforderung des Pflegepersonals (rührend-komisch: Dominic Hartmann als Pfleger) und die menschenverachtende Forschungsgeilheit der Ärzteschaft (neben Hartmann und Winter gesellt sich Timur Özkan dazu) vor. Es bleiben aber Behauptungen, die zum grossen Teil nicht wirklich über die Rampe kommen.

Setting wie aus einer TV-Arztserie

Aber von Rampe kann hier nicht wirklich die Rede sein. Auf der Bühne ist auf einem kreisrunden Podest – entrückt vom Publikum – ein realistischer Operationssaal aufgebaut. Dieser erinnert mehr an das Setting einer TV-Arztserie als an ein Bühnenbild. Und tatsächlich ist das wirkliche Geschehen in diesem Saal vor allem auf der als Leinwand genutzten Hinterwand des Operationssaals zu sehen, auf dem die Bilder der allgegenwärtigen Live-Kamera projiziert werden.

Regisseur Sebastian Nübling hat offensichtlich an seinem meisterlich in Szene gesetzten multimedialen Spektakel „Dämonen“ vor anderthalb Jahren so viel Gefallen gefunden, dass er wiederum auf ein Livestream-Spektakel setzte und die Schauspielerinnen und Schauspieler – vor allem die wacker agierende Hauptdarstellerin Marie Löcker als kranke Hündin, eben live gestreamt durch die Betongedärme des Theaters und zum Schluss auch noch kurz durch die Steinenvorstadt hetzt.

Nur dass hier der zwingende inhaltliche Bezug fehlt. Im Gegensatz zu „Dämonen“ geht es nicht um das wahre Leben Jugendlicher, sondern um literarisch abstrakte Postdramatik, die sich dennoch in einem dramatisch-inhaltlichen Kontext versucht.

Erzählt wird die Geschichte einer Windhündin mit Namen Poch, die auf der Rennstrecke zusammengebrochen ist und nun durch die grausamen Mühlen des Hunde-Spitals gedreht wird. Da wird ihr der Bauch aufgeschnitten, obwohl es vielleicht doch eher eine Erkrankung im Kopf ist. Am Schluss ist dann von einer Kopftransplantation die Rede und die Hündin spaziert ohne ihre Gliedmassen, wie sie sagt, vergnügt durch die nächtlichen Strassen der Stadt.

Einmal setzt sich die kranke Hündin in den Zuschauerraum und beklagt sich, dass sie nie unterschrieben habe, auseinandergenommen zu werden. „Ich dachte, es sei eine Zaubershow, bei der nur so getan wird, als werde ich auseinandergesägt.“

Eine Art Zaubershow ist es tatsächlich, die Nübling zusammen mit seinem Kamera-Tausendsassa Robin Nidecker inszeniert. Es kommt Zauberkunststücken gleich, wie sich beispielsweise Gala Othero Winter unmittelbar von der üppig kostümierten Höllenkatz in eine der Ärztinnen verwandelt.

Es ist aber letztlich eine technisch hochgerüstete Zaubershow ohne Zauber. Sehr Vieles an diesem Abend ist und bleibt Behauptung: Die kranken Hunde sind keine Hunde, sondern Menschen, die nichts Hündisches ausstrahlen. Der vom Körper abgetrennte und weiterdenkende Kopf bleibt ohne Theater- oder Filmzauber eine Frau mit Körper, Händen und Füssen. Nur die Höllenkatz darf eine Figur aus einem Zaubermärchen sein.

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