Künstlerischer Einblick in die wundersame Welt der Gebrauchsmenschen

Das Kunstmuseum Basel zeigt eine berührende und hintersinnig komische Werkgruppe der Künstlerin Gina Folly, Trägerin des Manor-Kunstpreises Basel.

Das Bild oben zeigt Gina Folly im Haus für Gegenwartskunst des Kunstmuseums Basel für einmal vor ihren Bildern. Also als Hauptperson, als ausgezeichnete Künstlerin. Öfter als in dieser Rolle taucht der Name Gina Folly in den Credits der Ausstellungsdokumentationen auf. Folly ist das mehr oder weniger egal, wie sie an der Medienvisionierung ihrer Ausstellung sagte. „Ich mag es auch, als Fotografin gebraucht zu werden.“

Aber eben, mit „Gina Folly. Autofokus“ steht die diesjährige Trägerin des Manor-Kunstpreises im Rampenlicht. Die Ausstellung zeigt eine Serie von analogen Farbfotografien von älteren Menschen, die in ihre Arbeit oder sonstige Tätigkeiten vertieft sind. Es sind unbearbeitete Fotografien, was sich in suboptimalen Farbstichen äussert, die man in der digitalen und alles austarierenden Fotogegenwart eigentlich nicht mehr kennt. Das hat aber durchaus seinen Reiz, wirken die Bilder doch wie Schnappschüsse aus einer vergangenen Zeit, auch wenn deutlich ist, dass die Ausschnitte und Motive sehr sorgfältig ausgewählt sind.

Als Motive hat Folly die konzentrierten Tätigkeiten des Vereins „Quasitutto“ aus Thalwil auserkoren. Es ist dies eine Gruppe von Rentnerinnen und Rentner, die flicken, repapieren, zusammenbauen, giessen, schaufeln, bohren, entsorgen und und und.Es sind Fotografien, die etwas rührend-komisches ausstrahlen. Faszinierend ist, wie unbeobachtet respektive unfotografiert sich die abgebildeten Dienstleisterinnen und Dienstleister mit Namen wie Stephanie, Hansjörg, Cora und Monica geben.

Die Fotografien wirken ganz und gar nicht gestellt. Folly scheint es offensichtlich geschafft zu haben, als Kunstfotoreporterin unsichtbar zu werden. Die Künstlerin sieht es etwas anders: „Eigentlich ist das Ganze eine Teamarbeit von den Abgebildeten mit mir zusammen“, sagt Folly.

In den früher von Joseph Beuys besetzten Rumen im obersten Stockwerk des Museums sind nicht nur die Fotografien zu sehen. Gina Folly hat – als Reminiszenz für die älteren Menschen, die sich in Aussenräumen wie Parks gerne hinsetzen – Bänke mit Logos von bekannten Film-Herstellern aufstellen lassen. Auch dies richtet sich nach dem durchgehenden Motto „in Gebrauch“ und „Gebrauchtwerden“. Als Vorbild diente eine grüm-weisse Bank der Firma Fujifilm.

Und schliesslich setzt Folly als hintersinnig subversiven Kontrast der ganzen Werkgruppe noch ein Werk gegenüber, das wie ein Konterpart wirkt. Es handelt sich um eine Glühbirne, die in unregelmässigen Abständen aufblinkt. In Kommunikationstechniken gefitze Betrachterinnen und Betrachter können darin eine Morsenachricht erkennen oder diese gar übersetzen. Alle anderen können sich durch eine Erklärung auf die Spur bringen lassen: Gemorst wird hier der Text des Evergreens „Forever Young“ der Popband Alphaville:

„Forever young
I want to be forever young
Do you really want to live forever?“

Die Ausstellung „Gina Folly. Autofocus“ im Haus für Gegenwartskunst läuft noch bis 1. Oktober 2023.

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