In der Empfindungsmaschine verrannt

Das Theater Basel versucht, den Debütroman „Die Aufdrängung“ zu dramatisieren und verrennt sich dabei in den mäandrierenden Gedankenwegen der Erzählerin.

Man kann sicher nicht sagen, dass sich das Theater Basel, namentlich die Regisseurin Marie Bues und die Bühnenbildnerin Pia Maria Mackert, keine Mühe gegeben hat. Das Bühnenbild würde als Kunstinstallation an der Art Unlimited für Aufsehen sorgen: Es ist ein blassgrau-in-grau gehaltener hoher und abgeschlossener Raum, an dessen Wände die Requisiten eines reichhaltigen Lebens wie Erinnerungsstücke erstarrt sind.

Es ist in toller Raum, eine Art Empfindungsmaschine, die auch noch einige Überraschungsmomente birgt, wie sich aus den Wänden windende Rüssel oder Tische, die in die Wände verschwinden.

Aber wir sind im Theater und nicht in einer Ausstellung. „Ich habe ein sehr grosses Haus“, bemerkt eine der drei ebenfalls grau gekleideten und in den Haaren ergrauten Frauen (Elmira Bahrami, Carina Braunschmidt und Vera Flück). Der Satz stammt aus dem Romanerstling „Die Aufdrängung“ von Ariane Koch.

Die junge, dem Theater explizit nahe stehende Autorin hat mit diesem stilistisch eigensinnig verfassten Roman für einiges an Furore gesorgt und mehrere Preise eingeheimst. Gegenwärtig ist sie Hausautorin am Theater Basel. Das heisst, sie schreibt ein Auftragswerk für die Bühne. Das Theater Basel mochte aber offensichtlich nicht so lange warten, bis der Theatertext vorliegt. Es mochte auch kein bestehendes Stück der Autorin aufführen – etwa das Stück „Die toten Freunde (Dinosauriermonologe), das im Dezember 2022 in Kaiserslautern uraufgeführt wurde. Nein, es musste der gefeierte Roman sein.

Die Dramatisierung abgelehnt

Auf die Hilfe der Hausautorin konnte sich das Theater dabei nicht berufen. Die Anfrage, ihren Romantext zu dramatisieren, lehnte sie ab. „Es wäre mir seltsam vorgekommen“, sagt sie. Das ist nachvollziehbar, hat sie doch nach mehreren Theaterstücken explizit einen Prosatext verfasst.

Das Theater scheitert nun an der Aufgabe, die mehrfach hintergründigen Gedankenspielereien der Gastgeberin auf der Bühne Leben und die ihr zustehende Bedeutung einzuhauchen. Die Figur der Erzählerin wurde mit drei Schauspielerinnen besetzt, was vor dem Hintergrund der zum Teil wilden Gedankensprünge im Roman nachvollziehbar ist.

Doch gelingt es in diesem Setting nicht, die inneren gedanklichen Konflikte der Gastgeberin im Hinblick auf ihren als immer lästiger empfundenen Gast so packend wiederzugeben, wie dies beim Lesen des Romans geschieht. Als Sprechblasen von Menschen auf der Bühne wirken sie oftmals plump und vor allem zusammenhangslos.

Dass der geheimnisvolle Gast (Raphael Clamer) seinen Auftritt hat, sorgt nicht dafür, dass das vor sich hinplätschernde Geschehen an Spannung gewinnt. Was soll er darstellen, dieser Gast? Zuerst erscheint er als grotesker Plüsch-Astronaut, danach als mit Musik nervender Geck.

Völlig unter geht in dieser Aufführung schliesslich die durchaus gewollte und letztlich politisch brisante Assoziation, den Gast als Symbol für den eindringenden Flüchtling zu sehen.

Als Empfehlung bleibt am Schluss, den wunderbaren Roman zu lesen. Das funktioniert sehr gut, ohne dass man sich aus den mäandrierenden Gedankengänge raus in eine Umsetzung in 3D bewegen muss.

Weitere Kritiken:

Claude Bühler stellt sich auf der Plattform nachtkritik.de die Frage, sich die Frage, „ob man statt auf den inszenatorischen Aufwand nicht eher auf Tisch, Stuhl, Lampe und Wasserglas, eine konzentrierte Lesung, gesetzt und auf das Leben im Satz fokussiert hätte“. Der spröde, meist linear durchgeführte Text bewege sich nicht. Oft wirke die Emotion wie platt ausgespielt oder draufgesetzt.

Markus Wüest bezeichnet die Aufführung in der „Basler Zeitung“ als „überlange, szenische Lesung“, die man lieber bleiben lassen sollen. Das Theater hätte „die sehr lange Absätze“ und das Fehlen von Dialogen im Roman als Hinweise werten sollen, „dass sich dieser Text nicht für eine theatralische Umsetzung eignet“.

Mélanie Honegger wundert sich in der „bz Basel“, dass der „wunderbar leichte Roman“ auf der Bühne „so schwer wird“. Die Erzählung ziehe sich im Theater über zwei Stunden hin, ohne das müde Publikum zu erreichen“ – eine „vertane Chance“ so ihr Fazit.

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