Ghetto-Gespenster aus der Hexenküche der „Basler Zeitung“

Die „Basler Zeitung“ hat versucht, dänische Ghetto-Kriterien auf Basel umzumünzen, und ist damit ganz böse auf die Nase gefallen. Was die Zeitung aber nicht davon abhält, auf Biegen und Brechen an ihrer haarsträubenden These festzuhalten.

„Das sind die ‚Ghettos‘ in Basel“, titelt die „Basler Zeitung“ in ihrer Online-Ausgabe. Klar, welche Quartiere damit gemeint sind: Matthäus, Klybeck und Kleinhüningen. Diese würden „ins engere dänische Raster passen“, schreibt der Autor, der sich immer wieder durch eigenwillige Interpretationen von Statistiken auszeichnete.

In diesem Fall ging er mit Scheuklappen zu Werk, die Aussmasse von Augenbinden haben mussten. Wir wollen hier das Beispiel Matthäus nachzeichnen. Dabei muss ich vorausschicken, dass ich selber in diesem Quartier wohne, das seit vielen Jahren und sehr gerne.

Zuerst einmal zu den Kriterien, was erfüllt sein muss, damit Dänemark ein Quartier zum Ghetto erklären kann:

  • Über die Hälfte der Quartierbewohner muss aus Zuwanderern aus nicht-westlichen Ländern bestehen,
  • die Arbeitslosenquote muss über der 40-Prozentmarke liegen,
  • das Durchschnittseinkommen muss weniger als 55 Prozent des Werts der gesamten Region betragen und
  • 60 Prozent der Erwachsenen haben es bildungsmässig nicht über die Grundschulen hinaus geschafft.

Wie der Autor des Artikels nun zum Schluss kommen kann, dass das Matthäus-Quartier dem „sozialen Mix, den Dänemark als problematisch einstuft“, nahekommen kann, ist schleierhaft.

Zuerst zum Ausländeranteil: Dieser beträgt im Matthäus-Quartier 50,8 Prozent. Es sind aber bei weitem nicht nur „Zuwanderer aus nicht-westlichen Ländern“. Von den knapp 8000 Ausländerinnen und Ausländern stammen 3500 aus EU-Staaten. Die mit Abstand stärkste Ausländergruppe sind die Deutschen, gefolgt von den Italienern und den Türken.

Nachgewiesenermassen aus „nicht-westlichen“ Ländern, also aus Serbien, der Türkei, aus Indien und dem Kosovo, stammen rund 1700 Quartierbewohner. Wie viele der 1850 „übrigen Ausländer“ aus „nicht-westlichen Ländern“ stammen, ist nicht ausgewiesen. Nachweisbar ist also lediglich, dass „nur“ knapp 11 Prozent der Bewohnerinnen nund Bewohner des Matthäus-Quartiers in diese Kategorie fallen. Wenn man grosszügig alle „übrigen Ausländer“ hinzurechnet, steigt der Anteil auf 22 Prozent, was immer noch weit unter den nötigen 50 Prozent liegt.

Weiter gehts zur Arbeitslosenquote: Diese liegt im Matthäusquartier bei 5,6 Prozent. Nötig wären 40 Prozent. Da muss man doch wirklich nichts mehr hinzufügen.

Nun also flugs zum Einkommen: Der Median des Reineinkommens lag 2016 im Matthäusquartier bei 38’102 Franken. Das lag zwar unter dem kantonalen Durchschnitt von 49’335, von einem Vergleichswert von weniger als 55 Prozent kann aber bei weitem nicht die Rede sein.

Zum Schluss noch ein Wort zum Bildungsniveau: Die dänische Grundschulquote lässt sich wegen des dualen Bildungssystems in der Schweiz nicht oder nur sehr schwer auf Basel übertragen. Auch beschränkt sich das Statistische Amt beim nach Quartieren aufgeschlüsselten Bildungsniveau auf die Gymnasialquote.

Aber es ist davon auszugehen, dass auch hier die Ghetto-Kriterien bei weitem nicht erfüllt werden. Der Anteil der Schulabgängerinnen und -abgänger „ohne Anschlusslösung“ lag 2019 im ganzen Kanton bei 4 Prozent. Es ist nicht anzunehmen, dass dieser Wert im Matthäusquartier über 15 mal höher ist, zumal die Gymnasialquote bei immerhin 25 Prozent liegt.

Der kolportierte Vergleich entbehrt also jeglicher Grundlage. Aber die „Basler Zeitung“ lässt sich durch Tatsachen offensichtlich nicht vom Kurs abbringen. Im Newsletter lesen wir: „Das hört der Basler Stadtentwickler Lukas Ott nicht gerne: Die Quartiere Klybeck, Kleinhüningen und Matthäus würden in Dänemark wohl als ‚Ghettos‘ eingestuft.“

3 Gedanken zu “Ghetto-Gespenster aus der Hexenküche der „Basler Zeitung“

  1. ja lieber dominique, merci für diesen text. ich habe mich auch sehr gewundert, was die baselr zeitung da wieder schreibt. aber da ich sie immer noch nicht ernst nehmen kann, habe ich keinen moment daran gezweifelt, dass die sache unsauber ist. du hast es mit ein paar angaben ins richtige licht gerückt. liebe grüsse ueli

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  2. Lieber Dominique, Vielen Dank für den Artikel. Obwohl wir keine ghettoide Verhältnisse haben, so können die Verhältnisse als ziemlich prekär bezeichnet werden. Insbesondere wenn man Vergleichswerte herbeizieht. Die Gymnasialquote der Quartiere Klybeck, Rosental, Matthäus, Kleinhünigen, Rosental und Clara belegen die letzten 6 Ränge im ganzen Kanton. Im Wettstein Quartier wechseln 66 von 100 Schüler ins Gymnasium über. In Kleinhüningen lediglich 16 von 100. Die Arbeitslosenquote der oben genannten Quartiere lagen im Jahr 2016 deutlich über der kantonalen und schweizerischen Mittel von 2,5 und 3,3 Prozent. Basel hat schweizweit die zweithöchste Quote an Sozialhilfebezieher. Mehr als ein Drittel der aller Sozialhilfebeziehenden sind in Kleinbasel beheimatet. Die hohe Zahl von Minderjährigen in Kleinbasel, die von der Sozialhilfe abhängig sind, sollte eigentlich alarmieren. Die soziale Ungerechtigkeit in Basel wird noch eklatanter, wenn man das Durchschnittseinkommen oder Reinvermögen zwischen den einzelnen Kleinbasler Quartiere, Bettingen und der Schweiz vergleicht. Armut kann von einer Generation an die nächste weiter gegeben werden…. Der Segregationindex zeigt lediglich den Grad der Durchmischung auf … Parallelgesellschaften können dennoch entstehen…. Dänemark hat immerhin begriffen, dass man von gesetztes wegen aktiv werden muss, wenn gewisse Quartier Parameter schlechte Werte aufzeigen. So sehr ich Kleinbasel und den vielfältigen Mix von 139 Nationen liebe, umso besorgter werde ich beim genauen analysieren der Zahlen, Trends und den Wissen um Einzelschicksale. Mit den liebsten Grüssen aus dem schönsten Ghetto. Martin von Arx aus Klybeck.

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