„Wer hat Angst vor Niketown?“ von Maximilian Hanisch und Sarah Methner. (Bild: Treibstoff/Flavio Karrer)
Am Basler Festival Treibstoff wehren sich Frauen, die zum Teil keine sind, gegen normierte Geschlechterrollen, posieren fitte Menschen für und gegen den Sportschuhkonzern Nike und spielt sich eine überwältigende Rampensau possenhaft in die Plüschtierwelt und zurück.
Was für eine Energie diese Frau hat. Anderthalb Stunden fegt Bärbel Schwarz über die Vor- und, von einer Live-Kamera verfolgt, Hinterbühne im Keller des Theater Roxy. Sie kommuniziert mit dem Publikum, schlägt das Rad, sinniert über das Leben von Plüschtieren und das Wesen des Menschen (was nicht immer so gut zu unterscheiden ist), lässt sich von einem Kinderchor wegschleppen, taucht wieder auf, versucht den überlappenden Moment zwischen gefilmtem und physischem Auftritt zu erwischen …
«Go, Pfüdi, Go!» heisst die Basler Produktion am diesjährigen Theaternachwuchs-Festival Treibstoff der Kaserne Basel, des Theaters Roxy und des Jungen Theaters Basel. Lucien Haug hat sie konzipiert und inszeniert. Und offensichtlich ganz auf seine fulminante Darstellerin zugeschnitten.
Worum es geht? Schwierig zu sagen. Es geht irgendwie um alles und nichts. Um Plüschtiere, die die Rolle von Mitmenschen einnehmen und Menschen, die zu Plüschtieren werden. Um Familienaufstellung und die antike Mythologie der Griechen. Schwer, wenn nicht unmöglich, da einen roten Faden fassen zu können.

Das spielt hier aber keine Rolle. Der Theaterabend fesselt vom ersten Moment an, man lässt sich von den unzähligen Facetten und inhaltlich schier akrobatischen Sprüngen überraschen und mitreissen. «Go, Pfüdi, Go!» bereitet ganz einfach Spass. Grossen Spass.
Aneinanderreihung von Posen
Das lässt sich über die Eröffnungsproduktion «Wer hat Angst vor Niketown» in der Reithalle der Kaserne Basel nicht unbedingt sagen. Der Abend ohne Worte zeigt viel körperlich fitte junge Menschen in Posen, die sie scheinbar aus Nike-Werbespots entnommen haben: Sportler oder ganz einfach Sport treibende junge Menschen zwischen Schmerz und Erfüllung.
Was sie damit letztlich bezwecken, wird auf der Bühne nicht wirklich nachvollziehbar. «Vier Performer*innen eignen sich Nikes Strategien auf der Bühne an. Sie stellen Protestbilder des letzten Jahrhunderts nach, branden sie als Nike Werbung und erforschen so, wie dehnbar das Gewebe Werbung-Marke-Politik ist», heisst es im Beschrieb der Produktion von Maximilian Hanisch und Sarah Methner. Die Forschung verliert sich aber trotz präziser Choreografie in einer letztlich ermüdenden Aneinanderreihung von Posen.
Helfen zwischen Frau und Mann
Die Produktion «Care 3.0» der Gruppe «Frauen und Fiktion» im Jungen Theater Basel beginnt vielversprechend. Eine Gruppe von Frauen und Männern präsentieren in schillernden Kostümen ein Dokutheater über Menschen in Helferberufen: Krankenpflegerin, Hebamme, Spitex-Helferin, Personal Assistant, Erzieherin, Mutter oder Aufräumerin.

Der Text geht auf Interviews mit tatsächlich existierenden Helfer*innen (das Sternchen ist hier überaus angebracht) zurück. Übersetzt in eine stilistische Travestie auf der Bühne – Frau spielt Mann und umgekehrt – entwickelt diese Produktion einen besonderen Reiz. Wenn zum Beispiel eine Drag Queen in der Rolle der Spitex-Helferin davon erzählt, dass sie ihre Patientinnen bei Hausbesuchen zuweilen tot antrifft, ist das auf der einen Seite absurd-komisch, aber das Lachen bleibt einem im Hals stecken.
Leider gleitet der Abend gegen Schluss ins Diskursive hinüber. Da wird, aus den Rollen heraustretend, darüber gesprochen, dass typische Frauenberufe und -rollen halt noch immer viel zu wenig geachtet und viel zu schlecht bezahlt werden. Das stimmt ja alles. Aber im Rahmen dieses eigentlich hintergründig charmant-witzigen Abends wirkt das dann wie eine Emanzipationslehrstunde für Anfänger.