Wenn der Ovomaltine-Spot zur Orgie ausartet

Das Performerquintett Helium X kämpft in der Kaserne Basel gegen den apokalyptischen Klimawandel an und scheitert natürlich. Dies aber auf abstrus-vergnügliche Art und Weise.

Es beginnt mit etwas Evolution: Zwei Fellknäuel robben grunzend über den leeren Bühnenboden. Damals, also ganz ganz lange vor unserer Zeit, war das mit dem Klima noch okay. Also mehr oder weniger, da gab es ja auch die Katastrophe, die den Dinosauriern den Garaus gemacht hatte.

Aber eigentlich beginnt es bereits vorher mit einem Prolog, bei dem einem erklärt wird, dass die «Klimaerwärmung vom Mensch» der «gemeinsame Kontext» dessen sei, das man zu sehen bekommt. Und dass dies auch gemeint sei, wenn gewisse Dinge nicht ausgesprochen würden. Und Konzentration sei gefragt.

Also lehnen wir uns leicht trotzig zurück. Helium X, das wissen wir von den zwei vergangenen Projekten, die jeweils als «grosse» Angelegenheiten angekündigt waren, sucht nicht das diskursive Spiel mit einem gradlinigen Weg zum Ziel, sondern stürzt sich verwegen in Sackgassen und Fallen. So auch bei der aktuellen Produktion, die den Titel «Das grosse Drama» trägt.

Und wir sehen, wie es weiter geht im Evolutions-Schnelldurchlauf, von der Entdeckung der Sprache, über den Durchbruch der Geowissenschaften in der Renaissance und den Tanz der (Gummi-)Delfine, bis wir in der Jetzt-Zeit anlangen. Menschen von heute in einer idyllischen Alpenlandschaft zeigen, wie sorglos wir mit der Natur umgehen.

Und wie die natürliche Umgebung nur noch Kulisse des kapitalistischen Alttags ist – etwa in einem Ovomaltine-Spot, der in eine überbordende Sex-Orgie ausartet. Kein Wunder macht da die Natur nicht mehr mit und frisst schliesslich alles menschliche Leben weg.

Alles ins Abstruse überdreht

Das klingt nicht nur in der Nacherzählung alles ziemlich absurd – das Spielerquintett mit Daniela Ruocco, Elina Wunderle, Friederike Falk, Patrick Oes und Philippe Heule tut in Kostümen und auf der Bühne von Dominik Dober, Laura Knüsel und Léonie Süess alles, um jeglichen Ansatz an erstem Klimadiskurs ins Abstruse zu überdrehen. Es ist absurd, aber es bereitet Spass, dem von einer ausufernden Phantasie geprägten Spiel zu folgen. Nun ja: Zuzuschauen, denn folgen ist vielleicht etwas zu viel gesagt.

Mit dem absurden Spass ist es aber denn doch noch nicht getan. In der Schlussszene tritt eine junge Schwangere an ein Rednerpult, hält ein Mikrofon an ihren Bauch und lässt das ungeborene Kind sprechen. In vierfacher Wiederholung auf Französisch, Spanisch, Englisch und schliesslich auf Deutsch liest uns dieser Fötus die Leviten. Die pränatale Version von Greta Thunberg sagt unter anderem, dass Tag für Tag 159 Tierarten aussterben und erklärt, dass sie deshalb beschlossen hat, nicht geboren zu werden, während der Mutter das Blut, das auf die Fehlgeburt hinweist, die Schenkel hinunterfliesst.

Die Welt retten kann Helium X mit ihrem «Grossen Drama» sicher auch nicht – hoffentlich haben da die protestierenden Schüler mehr Erfolg. Und über die alarmierende klimatische Entwicklung haben die Zuschauer hoffentlich zuvor bereits nachgedacht. Aber Helium X schafft es, in ihrem eigenen Scheitern uns allen einen Spiegel für unseren halbherzigen Einsatz für die Rettung der Welt vorzuhalten. Soll uns eine Lehre sein!

Helium X: «Das grosse Drama». Kaserne Basel, Reithalle, bis am 14. Februar 2019.

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