Carl Burckhardts füllige «Venus» und weitere modernistische Geistesblitze antiken Ursprungs

Wenige in Basel kennen den Bildhauer Carl Burckhardt, die meisten aber sind mit seinem Werk durchaus vertraut. Das Kunstmuseum Basel stellt den Schöpfer der «Amazone» bei der Schifflände in einer kleinen Retrospektive vor.

Allen bestens bekannt: Carl Burckhardts «Amazone» auf der Mittleren Brücke.

Von alleine wäre ich nicht darauf gekommen: Diese doch etwas füllige und trotz ihrer Nacktheit durch und durch bieder wirkende Frau soll die Liebesgöttin «Venus» darstellen? Das aus verschiedenfarbigem Marmor gehauene Werk aus den Jahren 1908/09 ist aber tatsächlich so betitelt.

Es ist eine Schöpfung des Bildhauers Carl Burckhardt (1878–1923), dessen Basler Wurzeln durch die vielen Konsonanten im Nachnamen unübersehbar sind. Er hat in seinen späten Schaffensjahren in Basel einige wohlbekannte Zeichen hinterlassen. Allen voran die Bronze-«Amazone» (1923) auf der Mittleren Brücke. Aber auch die beiden steinernen Personifikationen des Rheins und der Wiese (1921) vor dem Badischen Bahnhof oder der Ritter Georg am Kohlenberg.

Das Kunstmuseum Basel präsentiert nun in einer gemeinsam mit dem Museo Vincenzo Vela in Ligornetto konzipierten Schau eine Übersicht über das Schaffen Burckhardts. Es sind, wie der Titel der Ausstellung «Antiker Geist – moderne Form» besagt, zumeist Werke, die Themen und Figuren der Antike und des Altertums aufnehmen, diese aber in einer modernistischen Formensprache umsetzen.

Carl Burckhardts «Venus» von 1908/09.

Für die eingangs erwähnte «Venus» gilt dies aber nicht. Sie ist noch im klassizistischen Stil gehalten. Die Arbeit, die Burckhardt offenbar ohne Auftrag schuf, sorgte damals aber für einen kleinen Skandal in Basel.

Eine Professoren-Gattin stand Modell

Nicht wegen der Formensprache, auch nicht wegen der zur Schau gestellten Nacktheit an und für sich – die Frauenfigur bedeckt schliesslich ihre Brüste in einer seltsamen, fast verkrampften Pose mit ihren beiden Armen. Für Gerede sorgte, weil damals durchsickerte, dass eine in Basel bekannte Professoren-Gattin Modell gestanden hatte (übrigens die Mutter des späteren Kunstmuseumsdirektors Georg Schmidt).

Und Hand aufs Herz: Die lebensgrosse Skulptur mit ihrem seltsam wuchtig wirkenden Haaraufsatz erinnert doch viel mehr an eine Basler Professoren-Gattin als an die Liebesgöttin, von der es doch so viele reizvollere Abbilder gibt. Burckhardt selber sprach von einer «aus Eiformen zusammengestellte Gestalt».

Das Interessante an der Ausstellung im Basler-Saal des Kunstmuseums ist, dass die Werke und Gipsmodelle von Dokumenten über die Entstehungs- und Provenienzgeschichte flankiert werden. Über die besagte «Venus» erfährt man zum Beispiel über einen handschriftlichen Kaufvertrag, dass sie für die damals stattliche Summe von 30’000 Franken an eine Privatperson in Zürich, ein mit Burckhardt befreundeter Arzt, verkauft wurde. Heute gehört sie zur Sammlung des Kunsthauses Zürich.

Aus Dokumenten ersichtlich wird auch, dass die Absicht bestand, die «Venus» in die Öffentliche Kunstsammlung Basel einfliessen zu lassen. Der Besitzer liess die Skulptur 1920 im Böcklin-Saal des Museums an der Augustinergasse platzieren. Gegen diese Präsentation regte sich aber einiges an Widerstand. Unter anderem wurden auch statische Bedenken vorgebracht. Die Statue wurde lange Zeit hin- und hergeschoben, vor allem an die Wand verbannt, bis sie 1925 wieder zu ihren Besitzer nach Zürich verwiesen wurde.

Kunstmuseum Basel: «Carl Burckhardt. Antiker Geist – moderne Form». Bis 31. März 2019.

 

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