Boom-Boom oder ein Antitheater über das verkorkste Partyleben

Knapp anderthalb Stunden einem nahezu nichtigen Geschehen auf der Bühne beiwohnen: Wirklich spannend ist das nicht, aber durchaus erhellend.

Auf der Bühne stehen drei verlorene junge Menschen herum. Sie sind Protototypen der Uncoolness, die etwas vorhaben, was ihnen aber nicht gelingt. Neben ihnen ist nämlich eine mächtige Party-Box aufgebaut, aus der das zwerchfellerschütternde Boom-Boom eines Techno-Acts alle Versuche, ein Stück oder eine Erzählung zu beginnen, zunichte macht.

„Herzlich willkommen“, versucht der eine mit der unmodisch geschnittenen Jeans und einem Velohelm auf dem Kopf und einem Szenenheft in der Hand (Fabian Dämmich) einen Anfang. Doch der wuchtige Bass verunmöglicht die Fortsetzung. So geht es auch der jungen Frau (Claudia Kanne anstelle der erkrankten Vera Flück). Und wenn der dritte im Bunde (Kay Kysela) doch noch weiterspricht, ist kein Wort zu verstehen. Dabei habe man mit der Party Box.com ausgemacht, dass um Halbacht Ruhe herrscht, heisst es – die Party-Box, die aufgestellt worden sei, um das Theater Basel etwas aus seiner finanziellen Notlage zu retten.

Das ist zu Beginn des Abends des niederländischen Theatermachers Jetse Batelaan mit dem Titel „Es wär so schade wenn du das verpasst“ ganz witzig. Aber es zieht sich hin. Der mit dem Velohelm wird wütend bis aggressiv, versucht vergeblich in das Innere der Box zu gelangen, um sie zum Schweigen zu bringen, während die anderen über Handy den diplomatischeren Weg bevorzugen, was aber ebenso wenig zum Ziel führt.

Und wenn einer dann mal zum Publikum sagt, dass man das Theater ruhig verlassen könne, um im Steinen-Grill einen Döner zu bestellen, dann dürfte sich der eine oder andere doch ein bisschen angesprochen fühlen. Aber niemand geht raus. Liegt es daran, dass auch gesagt wird, dass man nach 20 Minuten Spiel bzw. Nichtspiel-Dauer das Geld nicht zurückerhält?

Einblick in den Partyraum

Also harrt man aus, bis tatsächlich etwas passiert. Aber nicht etwas, was wie ein Theaterstück aussieht. Auf einer Leuchtschrift über der Box wird verkündet, dass Plätze in ihr frei geworden seien. Und flugs macht sich mitten aus dem Publikum eine Reihe von jungen Zuschauerinnen und Zuschauern auf, stellen sich in eine Schlange und erhalten Einlass.

Und nun bekommt das Ganze so etwas wie einen nachvollziehbaren Sinn. Es geht um das Abhängen an Partys, um das omnipräsente Prinzip, unbedingt dabei sein zu müssen, den sich vielleicht einfindende grosse Moment nicht zu verpassen. FOMO nennt sich das im Jugendsprech, „Fear of missing out“ („Angst, etwas zu verpassen“).

Ist es das, was uns die Drei zu Beginn eigentlich mitteilen oder vorspielen wollten? Nun haben sie aber die Handlung, sofern man von einer sprechen kann, nicht mehr im Griff. Ein Lichtwechsel öffnet durch die Spiegelfront hindurch den Blick in das Innere der Box, wo eine rauschende Tanzparty im Gange ist. Die drei Uncoolen bleiben aber draussen.

Zumindest solange sie noch versuchen, das Boom-Boom zu stoppen. Nach und nach werden aber auch sie vom Partyflow verschluckt. Die Kontrolle entgleitet, die geplante Kussszene, nach der sich die junge Frau sehnt, spielt sich ganz anders ab, als geplant. Irgendwann wollen die Drei nur noch heim, nur dass sie das nie gleichzeitig wollen. Bis die Party vorbei ist und sich so etwas wie ein Happy End oder zufriedener Abgang einstellt. Noch etwas Chillen beim „Tomeli-Brunnen“, schlägt einer vor. „Tinguely-Brunnen“ korrigieren die anderen.

An der Grenze der Bühnendramatik

Jetse Batelaan, Leiter des ko-produzierenden Artemis-Theater ’s-Hertogenbosch, ist ein Theaterkünstler, der die Grenzen der Bühnendramatik arg ausreizt, sie gar zerfleddert. Das hatte er bereits 2023 in Basel mit einem durch und durch künstlerisch überhöhten und choreografisch fulminant zusammengesetzten „Streit“-Reigen gezeigt.

Aber während dem „Streit“-Projekt noch ein dramatischer roter Faden zugrunde lag, fehlt dieser beim aktuellen Projekt. Zu erleben ist der Einblick in den banalen Ablauf eines Freizeitabends junger Menschen auf ihrer letztlich vergeblichen Suche nach dem ultimativen Glücksmoment, der sich in der Einbildung letztlich gerade ganz woanders abspielt.

Ein bisschen triff dies auch auf den Abend im Schauspielhaus zu. Dieser ist ganz und gar geprägt vom Nichtvorhandensein dieser Glücksmomente. Die rührend komisch gespielten Figuren auf der Bühne haben keine Geschichte, keine Vergangenheit, keine Zukunft, sondern nur die geistlose Gegenwart, der man als Zuschauerin und Zuschauer beiwohnt.

Anderthalb Stunden sind eine lange Zeit hierfür. Aber es ist auch die Zeit, um in der Erinnerung wachzurufen, dass man genau dieses FOMO-Gefühl so oft selber hat erleben müssen. Das gilt für ältere Zuschauer wie mich. Ein junges Publikum wird sich wohl einem Spiegel der Gegenwart gegenübersehen.

Insofern ist „Es wär so schade wenn du das verpasst“ ein Experiment, das dramatisch nicht wirklich gelungen ist, einem aber unter dem Strich durchaus mit erhellenden Eindrücken entlässt. Und vor allen an ein junges Publikum gerichtet, lässt sich sagen: Es wäre schade, wenn Ihr das verpasst.

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