Nach Zürich und Bern hat Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ nun nun auch in Basel seinen Auftakt erlebt. Intendant Benedikt von Peter und seine Co-Regisseurin Caterina Cianfarini inszenierten den Vorabend „Das Rheingold“ als quirrlige Mixtur zwischen Puppenspiel und grausliger Familiensaga.

Bei den alten Göttern hängt der Haussegen schief. Das liegt vor allem am despotischen bis zuweilen psychopathischen Hausherrn und Patriarchen Wotan. Er hat sich von den Riesen Fasolt und Fafner das edle Anwesen Walhalla bauen lassen – dummerweise ohne Geld, diese für die Arbeit zu entlöhnen. Die Riesen nehmen deshalb seine Schwägerin Freia – sie ist Göttin der Jugend – als Pfand, was den eh schon schief hängenden Familiensegen noch mehr ins Ungleichgewicht bringt.
Und da ist ja noch das titelgebende Rheingold und natürlich der Ring. Das Gold wird vom bösen Zwerg, dem Nibelungen Alberich geraubt, der daraus mit dem ewigen Verzicht auf Liebe als Pfand den Ring schmieden lässt, der ihm grenzenlose Macht verleiht. Nun ist dieser Zwerg nicht nur böse und machtvoll, sondern auch dumm, so dass er sich das ganze geraubte Gold samt Ring und Gestaltwandler-Helm (den gibt es auch noch) durch eine plumpe List des Feiergotts Loge abluchsen lässt, worauf Alberich den Ring und seine Träger verflucht.
Uff. Das ist ganz schön viel Action für einen zweieinhalbstündigen Opernabend, der zudem einiges an Personal aufbieten lässt. Zu den genannten Protagonisten kommen da noch die Rheintöchter, die frustrierte Ehefrau, ihre beiden Brüder, die mahnende Greisin Erda und …
Benedikt von Peter bereichert diesen Gesellschaft auf der Bühne, die späteren Folgen von „Walküre“ bis „Götterdämmerung“ vorwegnehmend, mit der noch stummen Walküre Brünnhilde, mit dem erst später in Aktion tretenden Ritter Sigmund und mit dem erst fünfjährigen Siegfried, der mit einem Plüschtier schon einmal das Drachentöten einüben kann.
Kleines und übergrosses Puppenspiel
Womit wir bei den Puppen angelangt sind, die in von Benedikts zweispurigen Inszenierung eine wichtige Rolle spielen. Da ist zum einen das Puppentheater an der Bühnenrampe. Aus Kartonschachteln lassen sich alle Figuren in Puppenform hervorkramen, samt dem Gold und der Götterburg Walhalla.
Und da ist die Eingangsszene mit dem Goldraub, die als Figurentheater daherkommt: Die drei Rheintöchter schweben als übermenschengrosse Meer- bzw. Rheinjungfrauen über die Bühne, schwerfällig verfolgt von Alberich in Gestalt der Riesenkröte, als die ihn Wotan einst bezeichnete.
Mit den schwebenden Rheintöchtern vollzieht von Peter eine Reminiszenz an die von Wagner selber inszenierte Uraufführung. Der Komponist liess damals die Sängerinnen wie Puppen auf Kranwägelchen erhöht über die Bühne schweben. Das mit der eindrücklichen Kröte dürfte eine Basler Exklusivität sein.
Mit dem kleinen und übergross gespiegelten Puppenspiel präsentiert von Peter das Rheingold als subjektive Erinnerungen von Brünnhilde, als albtraumartige Rückbesinnung auf ihre schreckliche Familie, die schliesslich mit ihr zusammen ins Verderben stürzen wird.
Starke Auftritte von Wotan und Loge
Auf der Bühne überzeugt vor allem das bös-hinterlistige Männerduo Wotan und Loge sowie Alberich als ihr Gegenspieler – sowohl stimmlich, als auch spielerisch. Nathan Berg gibt mit seinem stimmgewaltigen Bariton ausgesprochen lustvoll den widerwärtigen und berechnenden Patriarchen, der über Leichen geht. Und der stimmlich ebenso ansprechend auftretende Tenor Michael Laurenz hat sichtlich Spass an der hinterlistig auftretenden Figur, die er verkörpert. Und Andrew Murphy schliesslich lässt bei seinen Auftritten den vor Beginn des Abends angekündigten und stimmlich beeinträchtigenden Schleim im Hals beinahe vergessen.
Bleibt die unsichtbare Präsenz des Sinfonieorchesters Basel unter der Leitung von Jonathan Nott. Es ist in Anlehnung an die Situation im Wagner-Tempel Bayreuth in einen geschlossenen Graben unter der Bühne verbannt worden. Der gewünschte Effekt des warmen Orchesterklangs hat sich eingestellt.
Benedikt von Peter stellt sich in seiner Inszenierung dem totalitären Märchen, das Wagner geschaffen hat und vermeidet eine irgendwie geartete Verortung in einer aktuellen oder geschichtlichen Sphäre. Sein „Rheingold“ kommt aber szenisch noch etwas nebulös und unklar daher, was wohl auch am Bühnenbild liegt, das auf seltsame Art verschiedene nicht zusammenpassende Elemente zusammenstellt.
Stark ist der Abend vor allem in den Szenen am langen Familientisch an der Bühnenrampe, an dem immer unter dem Vorzeichen des zu erwartenden Schreckens intrigiert, gekämpft und gefeiert wird.
Das Premierenpublikum zeigte sich am Samstag begeistert vom Gesehenen und Gehörten und spendete einen von vielen Bravos verstärkten lange andauernden Applaus. Und es wartet wohl mit wohlgesinnter Erwartung auf „Die Walküre“, den auf das eben erlebte Vorspiel schon bald folgenden ersten Teil der Tetralogie.
