Stefan Kaegi von Rimini Protokoll lässt mit «Granma. Posaunen aus Havanna» Enkel der kubanischen Revolution zu Wort kommen. Das ist höchst interessant und schön lehrreich, das Ganze bleibt unter dem Strich aber etwas arg auf der Erzähl-Ebene kleben.
Zeitmaschine der kubanischen Nachrevolutionsgeschichte. (Foto: Dorothea Tuch)
Der Nachrichtensprecher meldet, dass die kubanischen Zeitungen wegen Papiermangel dünner werden. Darunter auch das offizielle Organ der Kommunistischen Partei mit dem seltsamen amerikanischen Namen «Granma».
Das ist Real life, soeben vernommen im Morgenjournal von SRF.
«Granma» taucht auch im Titel der jüngsten Produktion von Stefan Kaegi, dem Schweizer Mitstreiter des Dokumentartheaterkollektivs Rimini Protokoll, auf. Mit der Ergänzung «Posaunen aus Havanna». Die Grenze vom wirklichen zum artifiziellen Leben ist bei Rimini Protokoll sehr durchlässig.
Vier mit Posaunen bewaffnete junge Kubanerinnen und Kubaner erklären auf der Bühne der Reithalle der Kaserne Basel, wie es zu diesem Namen gekommen ist: «Granma» war der Name der Jacht, mit der die legendären Köpfe der kubanischen Revolution 1956 von Mexiko nach Kuba übersetzten, um dann das Batista-Regime zu stürzen.
Die Enkel der Revolutionäre
Mit an Bord war damals ein Revolutionär mit Namen Faustino Pérez, Commandante der Rebellenarmee und späteres Mitglied der Staatsführung. Auf der Bühne begegnen wir nun seinem Enkel Daniel Cruces-Pérez. Er arbeitet für ein kanadisches Unternehmen. Seine Grossmutter lebt inzwischen in Florida, wo sie wohl nicht glücklich werde, wie der Enkel erzählt. Die Adresse sei aber praktisch, wenn es um Bestellungen bei Amazon gehe.
Auch die anderen drei jungen Menschen auf der Bühne reflektieren das postrevolutionäre Leben auf Kuba aus der Enkelinnen- und Enkel-Sicht. Bei Christian Paneque Moreda kann sich der Grossvater – auch er war einst ein Kämpfer für die Revolution – sogar aktiv als Miterzähler einschalten. Per geschickt eingesetzter Video-Aufzeichnung. Ebenso die Grossmutter der Musikerin Diana Sainz Mena, die auf reizende Art erzählt, wie sie einst mit ihrem Mann, einem Mitgründer des Orquesta Maravillas de Florida, die Nächte durchtanzt hat.
Ein sehr lehrreicher Abend
Es sind Geschichten, die faszinieren, weil sie einen direkten Einblick geben in die mehrdimensionale Geschichte des postrevolutionären Kuba. Sie berühren, weil sie aus sehr persönlicher Sicht erzählt werden. Alles ist sehr interessant, nach den rund zwei Stunden hat man als Zuschauer viel gelernt.
Aber auf Dauer fehlen dem Abend die performativ durchschlagenden Elemente. Nun ja, es gibt solche Augenblicke, etwa wenn die vier Erzählerinnen und Erzähler in ihre Posaunen pusten oder wenn sie Momente der Grosselterngeschichten mit kleinen Pappfigürchen in Miniszenen umsetzen, die dann auf die Grossleinwand projiziert werden. Es bleiben letztlich aber lediglich musikalische und multimediale Einsprengsel. Alles in allem bleibt das Projekt auf der Erzählebene stecken.
Am Schluss hat man die vier Erzählerinnen und Erzähler gerne bekommen und viel über das spezielle Land in der Karibik und die Menschen, die dort leben, erfahren. Es ist ein bisschen wie bei einem Volkshochschulkurs auf der Bühne. Aber einer, der in vielerlei Hinsicht sehr in die Tiefe geht. Und das ist doch auch schon ganz schön viel.