Die Welt mit LSD zu retten oder zumindest zu verbessern geht natürlich nicht. Regisseur Rocko Schamoni und Autor Jörg Pohl zeigen dies in der Produktion „Die Ritter des Mutterkorns“ in einer durch und durch abstrusen Klamotte auf der Bühne des Basler Schauspielhauses.

Das Stück (wenn man es so benennen kann) beginnt wie eine leicht angestaubte Boulevard-Produktion: Auf der Bühne (von Dorle Bahlburg) ist vor einer grossen Bücherwand ein Bett zu sehen. Darin liegt der alte Meister in seinen letzten Atemzügen. Aus dem Transistorradio auf dem Nachttischchen säuseln Klänge von Pink Floyd. Die französische Zofe träufelt dem alten Mann ein Elixier in den Mund. In einem weiten Rund dahinter breitet sich ein Panorama der Baselbieter Juralandschaft aus.
Man schreibt das Jahr 2008. Es ist Wirtschaftskrise. Im Bett liegt der 102 Jahre alte Erfinder des LSD – sein Name wird nicht genannt. Es ist sein Todesjahr.
Soweit, so gut oder mehr oder weniger wirklichkeitsnah. Was nun aber folgt und sich über gut zwei Stunden hinzieht, könnte man gut mit „And Now for Something Completely Different“, dem Leitspruch der britischen Komik-Berserker Monty Python umschreiben, die wohl für dieses Projekt Pate gestanden haben.
Auftritt der Ritter – nein, nicht der Kokosnuss, sondern des Mutterkorns, die natürliche Ursubstanz des halluzinogenen Stoffs. Es ist ein strubes Trio von Jüngern, das da mit Pauke und Trommel erscheint, um die diffuse Verfügung des Meisters zu erfüllen: Mit der vom Meister entwickelten Friedensdroge LSD-1000 soll die böse kapitalistische Welt geheilt werden.
Wilde Verfolgungsjagd
Von jetzt an geht’s rund oder besser drunter und drüber. Es kommt zur wilden Jagd – nein, nicht nach dem heiligen Gral, sondern nach der Phiole mit dem Stoff, der „Chemischen Intelligenz“ oder CI. Zwei Gruppen jagen sich: die Ritter des Mutterkorns zusammen mit einer wahnhaften Wissenschaftlerin auf der einen, und der versehentlich zur Auserwählten erkorenen Zofe, die sich mit einem Verschnitt des Hippie-Gurus Timothy Leary zusammentut. Beide Gruppen verfolgen verschiedene Ziele oder letztlich doch dieselben – so klar wird das nicht. Nur dass die Ritter das Elixier am Wirtschaftsforum in Davos und die anderen in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) unter die Elite des Kapitalismus bringen möchten.
Das mag als Geschichte nachvollziehbar klingen, aber Rocko Schamoni und Jörg Pohl geht es nicht wirklich darum. Vielmehr haben sie ein Feuerwerk an Kalauern und Gags zu einem hanebüchenen Plot zusammengeschustert mit Anleihen an die Wahnsinnsausbrüche eines Elon Musk oder Dr. Strangelove aus Stanley Kubricks gleichnamigen Weltuntergangs-Komödie und vieles mehr. Keine Pointe, kein Gag, keine Slapstick-Idee (bis hin zur Tortenschlacht) wird ausgelassen, seien sie auch noch so abstrus und platt und egal auch, ob sie auch nur im Geringsten mit der eigentlichen Handlung zu tun haben. Sinnbildlich für das Ganze sind die Aussagen der Zofe, die ihre wiederholten Kalauer stets mit der Erklärung „Isch abe gemacht die Witz“ ergänzen muss.
Ensemble in komödiantischer Hochform
Ist das lustig? Es ist es – zumindest immer wieder. Das liegt am Ensemble auf der Bühne, das sich in komödiantischer Höchstform in das groteske Geschehen schmeisst. Da sind die Ritter des Mutterkorns mit Fabian Dämmich, Jörg Pohl und Bärbel Schwarz, die zusammen mit Annika Meier als Wissenschaftlerin mit kurios klamaukhaften Kabinettstücken jenseits aller Logik aufwarten können. Da ist Jan Bluthardt, der sich als ausgedienter Hippie-Guru so etwas von irrwitzig selber durch den Kakao zieht. Dazu kommt Jens Rachut, der als hindämmernder Meister und die Umbaupausen füllender Facility-Meister der BIZ einen grummeligen Widerpart zur überbordenden Slapstick-Parade gibt.
Und da ist die grandios aufspielende Marie Löcker als Zofe, die als eigentliche Heldin der Geschichte und Sympathieträgerin neben ihren mit reizend französisch angehauchtem Deutsch vorgebrachten Kalauern hin und wieder auch mal Hintergründiges zu sagen hat. Etwa wenn sie dem Leary-Verschnitt die Erkenntnis an den Kopf wirft, dass man sich nicht jahrelang Trips einschmeissen müsse, und zu merken, dass es eine andere Welt geben könnte: „Wenn du bloss mal zwei Wochen für andere Wäsche machst und das Klo putzt“, komme man auch zu diesem Schluss.
„Die Ritter des Mutterkorns“ ist nichts für Theaterbesucherinnen und -besucher, die eine nur halbwegs ernsthafte oder vielleicht auch ironische Auseinandersetzung mit LSD und der Welt erwarten. Aber diejenigen, die sich auf eine wahnwitzige Nonsens-Parade in der Art von Monty Python einlassen, kommen auf ihre Kosten – auch wenn der etwas überlange Abend die einen oder anderen Kürzungen gut vertragen hätte.
