Provenienzforschung in Basler Museen als Pflicht und Chance

Von fruchtbaren Begegnungen bis zu aggressiven Forderungen: Die fünf staatlichen Basler Museen haben am Wochenende an einer Tagung über ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit Provenienzforschung und Restitutionsprozessen berichtet.

Anfang Juni 2024 wurden 42 menschliche Gebeine aus der Sammlung des Naturhistorischen Museums Basel per Luftfracht von Basel nach Sri Lanka verbracht. Zuvor hatte der Basler Regierungspräsident Conradin Cramer (LDP) in Anwesenheit einer Delegation der indigenen Gruppe der Veddah aus dem Inselstaat im Basler Rathaus das Rückführungs- oder Restitutionsabkommen unterzeichnet.

Zu erfahren war dies an einem Informationsanlass der fünf staatlichen Museen Basels zur Provenienzforschung an ihren Häusern. Einig waren sich die Direktorinnen und Direktoren sowie ihre Forschungs-Verantwortlichen, dass die Aufarbeitung ihrer Sammlungsgeschichte und eine minutiöse Recherche bei Schenkungen und Ankäufen zum Grundauftrag der Museumsarbeit gehöre.

Die betrifft insbesondere den Umgang mit Sammlungsbeständen mit kolonialen Kontexten sowie bei Kunstwerken, die mit dem Handel mit Raubkunst oder Fluchtgut der Nazizeit oder archäologischen Raubgrabungen in Zusammenhang stehen könnten.

Die Forschungsarbeit wird vom Kanton Basel-Stadt mit einem entsprechenden gesetzlichen Auftrag verbunden vorerst bis 2026 mit einer Million Franken pro Jahr alimentiert. Auch der Bund hat für die Jahre 2025 und 2026 Gelder gesprochen. Namentlich je 100’000 Franken gingen an das Antikenmuseum und das Museum der Kulturen.

In Kartons verpackt und bereit zum Transfer von Basel nach Sri Lanka: Die Gebeine des Veddah-Volksstamms. (Foto NHB)

Co-Direktor Basil Thüring vom Naturhistorischen Museum und Anthropologie-Kurator Gerhard Hotz bezeichneten die Restitution der Gebeine aus der Sammlung als Musterfall. Die Veddah-Vertreter seien gemeinsam mit dem zuständigen Ministerium an das Museum gelangt und hätten damit inhaltlich und rechtlich vorbildlich gehandelt.

Bereicherung der Museumsarbeit

Mit dieser Restitution konnte das Museum auch einen dunklen Fleck in in seiner Sammlungsgeschichte zumindest zu einem Teil bereinigen. Die Skelette und Schädel waren Anfang des 20. Jahrhunderts von den ebenso reise- wie sammelfreudigen Vettern Fritz und Paul Sarasin zum Teil ohne Einverständnis der Bevölkerung exhumiert und nach Basel geschmuggelt worden. Insgesamt befinden sich rund 1600 Gebeine aus kolonialem Ursprung in den Sammlungsbeständen des Museums.

Mit an diesem Restitutionsprozess beteiligt war auch das Museum der Kulturen Basel. Aus dessen Sammlung konnte das Museum den Veddah-Vertretern 47 Sammlungsobjekte, namentlich Waffen, Gefässe, Kleidung, Werkzeuge und rituelle Gegenstände, mitgeben.

Museumsdirektorin Anna Schmid bezeichnete die Provenienzforschung, die Aufarbeitung der von kolonialen Verstrickungen geprägten Sammlungsgeschichte und insbesondere den Dialog mit Vertretern der Ursprungsgegenden und -ländern als Bereicherung der Museumsarbeit. Diese stelle bei der Vermittlungsarbeit auch für die Museumsbesucherinnen und -besucher einen Gewinn dar.

Als Beispiel nannte sie unter anderem die Initiative von acht Schweizer Museen zur Aufarbeitung der Sammlungsgeschichte im Zusammenhang mit den berühmten Bronzen aus dem ehemaligen Königreich Benin im heutigen Nigeria.

Alle Anfragen willkommen

Die internationale Benin-Initiative sorgte für Schlagzeilen, die auch in anderen, ehemals kolonialisierten Ländern gelesen wurden. Vor wenigen Tagen habe die Botschaft von Kamerun eine Restitutionsanfrage deponiert, sagte Schmid. Im November 2024 hatte eine Delegation aus dem zentralafrikanischen Staat das Museum besucht und sich „Dinge“ aus der Kamerun-Sammlung zeigen lassen, wie sich Provenienzforscherin Isabelle Bosza ausdrückte.

In der Sammlung des Museums der Kulturen befinden sich rund 3500 Objekte aus Kamerun, die zu einem grossen Teil über das Missionswesen nach Basel kamen. „Wir befinden uns noch in der Auftaktphase der Gespräche mit den Partnern aus Kamerun“, sagte Schmid, entschieden sei noch nichts. „Aber alle Anfragen sind willkommen.“

Diese Aussage kann Andrea Bignasca, Direktor des Antikenmuseums Basel und Sammlung Ludwig, in dieser Eindeutigkeit nicht mittragen. Er sieht sich bei der Provenienzforschung mit der Tatsache konfrontiert, dass das Museum wenig bis nichts über die Herkunft seiner Objekte aus der Antike weiss.

Aggressive Restitutionsforderungen

Die Sammlung des erst in den 1960er-Jahren gegründeten Museums setze sich zu einem grossen Teil aus Schenkungen zusammen, die über den internationalen Kunsthandel in die Hände der Stifter gelangt waren, sagte Bignasca. Und dieser Handel war zumindest bis zum Inkrafttreten des Kulturgütertransfergesetzes des Bundes im Jahr 2005 bei weitem nicht über alle Zweifel erhaben.

Auch das Basler Antikenmuseum ist dabei, die Herkunftsgeschichte seiner Sammlung aufzuarbeiten. (Foto: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig/Ruedi Habegger)

Zur in diesen Zusammenhang erschwerten Provenienzforschung komme hinzu, dass sich das Museum mit zum Teil aggressiv vorgebrachten Restitutionsforderungen aus den Herkunftsländern konfrontiert sieht. Eine seriöse und glaubwürdige Provenienz sei umso wichtiger, wenn das Museum seine Zusammenarbeit mit diesen Ländern fortsetzen möchte, sagte Bignasca. Dafür hat das eine Forschungsstelle eingerichtet, das die 12’600 Museumsobjekte nach einem Ampelsystem bewerten soll.

Raubkunst und Fluchtgut der Nazizeit

Das Kunstmuseum Basel fokussiert seine Provenienzforschung auf die Zeit des deutschen Nationalsozialismus von 1933 bis 1945. Hierbei stiess es wiederholt auf Raubkunst- und Fluchtgutfälle -zuletzt bei einem Gemälde von Camille Pissarro, das im Nachgang zur grossen Pissarro-Ausstellung als Schenkung ans Museum gelangte.

Camille Pissarros Gemälde „La Maison Rondest, l’Hermitage, Pontoise“ wurde vom Kunstmuseum Basel als Fluchtgut identifiziert. (Foto: Kunstmuseum Basel/Johannes Hänggi)

Es stellte sich heraus, dass das Bild „La Maison Rondest, l’Hermitage, Pontoise“ auf der Website www.lostart.de als Suchmeldung aufgeführt war. Es war von den jüdischen Besitzern auf der Flucht aus Deutschland in ihrer Notlage verkauft worden, weshalb es die Kriterien eines Fluchtgut erfüllte. Das Museum konnte sich mit den Erbinnen des Sammlers auf eine nicht öffentlich kommunizierte Entschädigung einigen.

Nicht immer lief die Provenienzforschung des Museums für beide Seiten so erfolgreich ab. Für längere Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten sorgte vor gut 17 Jahren die Sammlung von 200 Zeichnungen und Druckgrafiken, die der von den Nazis vertriebene jüdische Kunsthistoriker Curt Glaser an einer Auktion in Berlin veräusserte respektive veräussern musste. 1933 hatte das Basler Kunstmuseum die Werke angekauft.

2008 liess die Basler Regierung die Erben, die sich um eine Restitution bemüht hatten, abblitzen. 2017 gelang es ihnen aber, die verschlossenen Türen zu öffnen und 2020 kam es schliesslich zu einer „gerechten und fairen“ Einigung, wie das Kunstmuseum damals kommunizierte. Das Museum einigte sich auf eine Entschädigung und eine Sonderausstellung, mit der die Sammlungsgeschichte und das Schicksal des Sammlers öffentlich aufgearbeitet wurde.

Basler Minnekästchen auf dem Prüfstand

Noch nicht abgeschlossen ist die Provenienzforschung bei einem vom Historischen Museum Basel im Jahr 1950 erworbenen mittelalterlichen Basler Minnekästchens. Bei der Suche nach dessen Herkunft stiessen die Museumsveranwortlichen auf den Namen eines jüdischen Sammlers, wie der Provenienzforschungs-Beauftragte Renato Moser sagte. Und es erhärtete sich der Verdacht, dass es 1939 von den Nazis beschlagnahmt worden sei.

Grundsätzlich sei das Museum dabei, Standarts für die Provenienzforschung zu entwickeln, um sich bei der 300’000 Objekte umfassenden Sammlung nicht zu verzetteln, sagte Museumsdirektor Marc Zehntner. In einem Pilotprojekt habe man sich auf Musikinstrumente und insbesondere auf Geigen konzentriert, die in der jüdischen Kultur eine wichtige Rolle spielten.

Bei keinem der untersuchten Objekte hätten Hinweise auf einen Unrechtskontext aufgedeckt werden können. Eine vollständig belegbare Rekonstruktion einer lückenlosen Provenienzkette sei jedoch nicht möglich gewesen.

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