Der Mann, das lächerliche Wesen

Das Theater Basel zeigt Bertolt Brechts Anti-Kriegs und -Kapitalismus Parabel „Mann ist Mann“ in einer Inszenierung, die hinreissend-komische Momente hat, zwischendurch aber auch durchhängt.

Bekannt ist das Szenario vom Mann, der aus dem Haus geht, um mal schnell Zigaretten zu holen und verschwindet. Mann weiss nicht, was geschieht. Bei Brechts „Mann ist Mann“ ist die Ausgangslage ähnlich: Der Packer Galy Gay verlässt sein trautes ärmliches Heim, um Fisch kaufen zu gehen, und kehrt nicht zurück. Nur dass Autor Bertolt Brecht die ganze Geschichte erzählt – eine ziemlich strube ist es.

Gay gerät zunächst in die Fänge der opportunistisch-lüsternen Witwe und Soldatenkantinen-Wirtin Begbick, dann in die diejenigen von drei einfältigen Soldaten, die ihren vierten Kameraden bei einem Einbruch in eine Tankstelle verloren haben, was ihnen beim Appell zum schmerzhaften Verhängnis werden könnte. Es gelingt ihnen, den einfältigen Packer, ein Mann ohne Eigenschaften, der nicht Nein sagen kann, dazu zu drängen, den Platz des vierten Kameraden einzunehmen. Und über einen absurden Winkelzug mit der betrügerischen Versteigerung eines fingierten Panzers wird Galy Gay vom netten Packer schliesslich zum mörderischen Soldaten.

Brechts „Lustspiel“ ist eine absurde Parabel gegen den Krieg und den Kapitalismus. Das ist eigentlich eines der beiden kritisierten Punkte zu viel, will man mit einer einigermassen stringenten Geschichte klarkommen. Aber das soll uns Zuschauerinnen und Zuschauer nicht aus der Fassung bringen. „Wer die Handlung nicht gleich begreift, braucht sich nicht den Kopf zu verbrechen, sie ist unbegreiflich“, wird in einem einem Prolog vor einem halbhohen Vorhang, der klassischen halbhohen „Brechtgardine“, erklärt.

Gehen Sie aufs Pissoir

An der Premiere tat dies Regisseur Jörg Pohl, der wegen der Erkrankung des Darstellers eingesprungen war und gleich auch die Rolle eines der Soldaten übernahm (und dies vorzüglich meisterte). Weiter heisst es im Prolog, der in einem Fall eines Elefantenmuttermords die Justiz ins Lächerliche zieht, dass man mit dem Anspruch, etwas zu sehen, was Sinn hat, aufs Pissoir gehen sollte.

Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich es zur rechten Zeit tatsächlich getan hätte, um nach dem ausgesprochen einnehmenden Beginn und vor dem wiederum packenden Schluss, den doch arg durchhängenden Mittelteil zu verpassen. Hier verzettelt sich die Inszenierung, die sonst auf stringente und ironische Weise die Prinzipien des epischen Theaters spielt. Die fingierte Versteigerung des gefälschten Panzers (im Original ist es ein gefakter Elefant) wirkt nur noch absurd und ohne die Beherztheit, die den Abend sonst auszeichnet.

Überzeugende Hauptfiguren

Der zweistündige Abend überzeugt vor allem durch die bestechenden Auftritte von Jan Bluthardt als Galy Gay und Sven Schelker als die Witwe Begbick. Bluthardt berührt durch die rührend-komische Darstellung des missbrauchten Packers als Figur, die sich mit weit aufgerissenen, verständnislosen Augen der Grenze zwischen Debilität und Märtyrertum bewegt, und dann am Schluss in einem Akt von forcierter Selbstverleugnung selber in die Rolle der militärischen Kampfmaschine schlüpft. Und Schelkers Freude an der Darstellung der durch und durch abgelöscht opportunistischen Kantinenwirtin ist wahrhaft ansteckend. Seine Travestie ist hinreissend komisch, ohne je ins Tuntenhafte zu fallen.

Das gelingt im umgekehrten Fall den beiden Darstellerinnen in Männerrollen nicht so überzeugend. Elmira Bahrami als Soldat Uria und Barbara Coceriu als Sergeant versuchen mit übermässigem Brüllen testosterongeschwängert männlich zu wirken, was dazu führt, dass weite Teile ihres Textes unverständlich bleiben.

Ein Gewinn des Abends ist auch Evelinn Trouble als Musikerin. Die Schweizer Indie-Popmusikerin gibt die Bühnenmusik von Paul Dessau einnehmend zurückhaltend wieder und beweist mit dem eingefügten Song „Unknown Soldier“ von The Doors, was für eine gute Sängerin sie ist.

Der Abend ist mit der Dauer von zwei Stunden zu lang. Das hinderte das Premierenpublikum aber nicht, auf die Aufführung mit starkem Applaus zu reagieren.

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