Theater auf Irrwegen in den ukrainischen Kriegswirren

Ein Theaterprojekt einer nach Basel geflüchteten ukrainischen Dramatikerin über ihren in Cherson verlorenen Sohn: Das klingt spannend. Auf dem Papier, während es sich auf der Bühne merkwürdig abgehoben und wirr präsentiert.

Die Aufführung hat eine Überraschung bereit – aber eine, die das Grundgerüst der Geschichte, die hier dramatisiert wird, torpediert. Doch dazu am Schluss mehr.

Es ist eine Geschichte, die auf erschütternde Tatsachen beruht. Die ukrainische Dramatikerin Natalia Block hat sie nach ihrer Flucht nach Basel zu Papier gebracht. Sie erzählt von ihrem 18-jährigen Sohn Matwij, der in der umkämpften Frontstadt Cherson zurück geblieben ist, als jungen Mann auch bleiben musste. Der dort eigentlich das wilde Leben eines jungen Erwachsenen verbringen möchte, aber zwischen Ausgang, Protest und Verfolgung durch die russischen Schergen eingepfercht bleibt. Und sich als Zurückgelassener um die Katze, einen Papagei und einen Hamster von Geflüchteten kümmern muss.

Das Sück heisst „Das Leben ist unaufhaltsam“ und verspricht eine spannende, weil unmittelbare künstlerische Annäherung an den brutalen Puls der Zeit, an die zuweilen ins Irreal albtraumartige überschwappenden Schicksale der Kriegsversehrten.

Regisseur Peter Kastenmüller aber scheint der Unmittelbarkeit der Geschichte nicht getraut, sie gewissermassen gar gefürchtet zu haben. Seine Inszenierung legt nun dem Geschehen auf der Kleinen Bühnen einen seltsam anmutenden Mantel der Verfremdung über, was sich ganz oberflächlich bereits an den gold-wächsern geschminkten Gesichtern der Darstellenden zeigt.

Verzweiflung Galgenhumor, Theatralik

Der Text beschreibt Gefühle wie Angst, Verzweiflung, vielleicht auch Sarkasmus und Galgenhumor. Die Inszenierung kapriziert sich auf Theatralik und seltsam anmutende Kapriolen. Ausgenommen sind so schön verquer-poetische Momente, wie wenn Fabian Dämmich seine Orchidee mit Namen Stephan eindringlich auffordert, wenigstens einmal zu blühen, bevor ihr der Krieg endgültig den Garaus macht. Oder wenn er uns Zuschauerinnen und Zuschauern in bester sarkastisch überhöhter Zivilschutzmanier direkt erklärt, dass sich ein Atombomenangriff überleben lässt, falls man die Explosion überlebt.

Dämmich legt sich als Hauptfigur mit viel Fulminanz ins Zeug. Das gelingt den weiteren Darstellerinnen und Darstellern (Carina Braunschmidt, Elif Duygu und Peter Knaack) weniger, das kann ihnen gar nicht wirklich gelingen, weil die Inszenierung sie lediglich als schwer identifizierbare Staffage agieren lässt.

Es bleibt nach fünf Viertelstunfen das Gefühl, dass hier eine Chance verpasst beziehungsweise verschwurbelt wurde. Das zeigt sich, um auf den Anfang dieses Textes zurückzukommen, nicht zuletzt in der Tatsache, dass der zurück gebliebene und verlorene tatsächliche Sohn Matwij gar nicht zurück geblieben und verloren ist. Er begleitet die Aufführung auf der Bühne in Fleisch und Blut als Live-Kameramann, ohne dass es in irgendeiner Form zur inhaltlichen Konfrontation zwischen der Originalfigur und dessen Darsteller kommt.

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